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Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode

Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode

Titel: Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
Autoren: Verschiedene
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hatte, und sie beide hätten auf ihre Art recht gehabt.
    Aber das änderte nichts daran, daß sich Jean Balestrano schuldig fühlte, und daß er wußte, daß es so war.
    Er hätte es wissen müssen. Von allen hier – selbst die vier Master eingeschlossen – war er der einzige, der wirklich gewußt hatte, mit welcher Macht sie konfrontiert wurden. Er war mitgekommen, weil er als einziger Necrons ganze Verschlagenheit kannte. Weil es seine Aufgabe gewesen wäre, sie zu warnen.
    Und er hatte versagt.
    Eine Hand berührte ihn an der Schulter. Balestrano schrak aus seinen Gedanken hoch und sah direkt in das schmale, von grauem Haar eingefaßte Gesicht Rupert Hayworthys.
    »Bruder André und Bruder Nies sind zurück«, sagte er leise.
    »Ich weiß«, antwortete Balestrano. Er hatte die beiden einsamen Gestalten, die wie Geister aus dem wirbelnden roten Sand aufgetaucht waren, schon vor Minuten bemerkt. Augenblicke, bevor sie selbst die zertrümmerte Burg gesehen und wie erstarrt stehengeblieben waren. Sie standen noch immer dort, hundert Schritt entfernt, gelähmt von dem entsetzlichen Anblick, der sich ihnen bot. Von Schmid hatte ihnen entgegengehen wollen, aber Balestrano hatte es verboten und einen der anderen Männer geschickt. Nicht alle waren tot, wie er im ersten Moment geglaubt hatte – eine Handvoll Krieger hatte das Chaos überlebt, verschüttet unter gewaltigen Steinquadern, die so über ihnen zusammengebrochen waren, daß sie sie vor der schlimmsten Gewalt des Sturmes geschützt hatten; vom Sand eingeschlossen, aber unversehrt in dem stehengebliebenen Rest des Turmes. Aber es waren so wenige. Zwei Dutzend. Sechsundzwanzig Mann, wenn er die Verwundeten mitzählte. Sechsundzwanzig von vierhundert!
    »Woran denkst du, Bruder?« fragte Hayworthy plötzlich. Er lächelte entschuldigend. »Wenn die Frage nicht zu indiskret ist.«
    Jeden anderen hätte Balestrano scharf zurechtgewiesen. Hayworthy nicht. Statt dessen lächelte er wehmütig, drehte sich wieder herum und starrte auf den mit Trümmern und Sand übersäten Hof der Burg hinab.
    »Woran ich denke«, murmelte er. »Vielleicht an... an eine Sünde.«
    »Eine Sünde?« Hayworthy runzelte die Stirn.
    »Ich frage mich, ob ich vielleicht Kredit habe, dort oben«, fuhr Balestrano mit einer Handbewegung zum Himmel fort. »Genug Kredit, mir eine Sünde leisten zu können.«
    »Wer von uns ist schon frei von Sünde?«
    »O nein«, antwortete Balestrano ruhig. »Ich meine keine Kleinigkeit, Bruder Hayworthy. Ich spreche nicht von den häßlichen Gefühlen Bruder von Schmids dem weiblichen Geschlecht gegenüber oder –, er lächelte, » deinen kleinen Betrügereien beim Kartenspiel, mit denen du deinen Servanten ihren sauer verdienten Sold abnimmst.« Plötzlich wurde er wieder ernst. »Ich meine eine Todsünde, Bruder. Ich frage mich, ob in dem großen Hauptbuch dort oben genug Guthaben auf meinem Konto ist, mir die Sünde des Selbstmordes zu verzeihen.«
    Hayworthy erbleichte. »Das... das darfst du nicht einmal denken«, flüsterte er.
    Aber Balestrano fuhr fort, ohne auch nur auf seine Worte zu reagieren. Vermutlich hatte er sie gar nicht gehört. »Vielleicht kommt es auch schon gar nicht mehr darauf an«, sagte er leise. »Ich habe den Tod von fünfhundert guten Männern zu verantworten. Glaubst du, daß es ein Unterschied ist, Bruder? Fünfhundert oder fünfhunderteins?«
    »Sprich nicht so!« keuchte Hayworthy. »Das darfst du nicht. Dich trifft keine Schuld. Nicht die mindeste!«
    »O doch, Bruder«, widersprach Balestrano. »Aber wahrscheinlich ist es längst egal, was ich denke oder tue. Ich glaube, es liegt nicht mehr in meiner Macht, irgend etwas zu ändern. Vielleicht hat es niemals darin gelegen. Alles wird so kommen, wie es kommen soll.« Er seufzte, wandte sich wieder zu Hayworthy um und wechselte abrupt das Thema. »Geh und hole Bruder Botho«, sagte er. »Und die beiden anderen. Und eilt euch.«
    Hayworthy starrte ihn noch einen Sekundenbruchteil durchdringend an, und Balestrano spürte genau, daß der kleinwüchsige Schotte noch etwas sagen wollte, irgend etwas Wichtiges, ganz Bestimmtes. Aber dann tat er es nicht, sondern drehte sich mit einem Ruck um und beeilte sich, Balestranos Befehl auszuführen.
    Balestrano ging mit müden, schleppenden Schritten in das halb zerstörte Gebäude zurück. Von Schmid und Hayworthy hatten aufgeräumt, was noch aufzuräumen war, und der praktisch veranlagte Schotte hatte sogar den Tisch wieder repariert, so
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