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Der Hexer - NR01 - Das Erbe der Dämonen

Der Hexer - NR01 - Das Erbe der Dämonen

Titel: Der Hexer - NR01 - Das Erbe der Dämonen
Autoren: Verschiedene
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habe ich, Robert, antwortete er. Ich tat es und ich tue es noch. Aber manchmal muß man Dinge tun, die falsch sind, um das Böse zu besiegen.
    »Dinge wie ein Mord an einem Wehrlosen?«
    Andara schwieg einen Moment. Dann nickte er. Die Bewegung wirkte resignierend. Vielleicht hast du recht, sagte er. Vielleicht ist es gut, daß du mich daran gehindert hast, ihn zu töten. Ich habe schon zu viel Schuld auf mein Gewissen geladen.
    »Worte!« schnappte ich. »Nichts als Worte! Ist das alles, was du mir geben kannst – außer dem Fluch, den ich von dir geerbt habe?«
    Manchmal muß man Schuld auf sich laden, um größeres Unheil zu verhindern, sagte er sanft. Aber ich verlange nicht, daß du verstehst, was ich meine. Ich habe nichts von dir zu verlangen, Robert. Vielleicht habe ich schon zu viel von dir verlangt
    Ich wollte nicht antworten, aber ich war nicht mehr vollends Herr meines eigenen Willens. Ich hatte zu lange mit meinem Erbe gelebt, hatte die düstere brodelnde Macht, die lauernd wie ein finsterer Höllenhund am Grunde meiner Seele wartete, zu lange gespürt und bekämpft, um zu schweigen. Plötzlich sprudelten die Worte aus mir hervor, ohne daß ich ihren Fluß zu dämmen imstande war. Ich schrie fast.
    »Ist das alles?« keuchte ich. »Erwartest du wirklich, daß ich mich damit zufrieden gebe? Du verlangst nicht, daß ich dich verstehe, und das ist alles? So einfach ist es nicht, Vater! Vielleicht verlangst du nichts, aber ich verlange etwas von dir!«
    Und was? fragte er leise. Aber der Ausdruck in seinen Augen sagte mir, daß er die Antwort längst wußte.
    »Ich will, daß du deinen Fluch von mir nimmst!« schrie ich. »Ich will dieses Erbe nicht! Du hast es mir gegeben, ohne mich zu fragen. Ich will nicht mehr zusehen, wie unschuldige Menschen umgebracht werden, nur weil sie zufällig im falschen Moment am falschen Ort sind, oder weil ihr Tod in irgendwelche Pläne irgendwelcher anonymer Mächte paßt. Du hast mir nicht nur deine magische Macht und deine Zauberkräfte vererbt, sondern auch deinen Fluch. Jeder Mensch, der zu lange mit mir zusammen ist, kommt zu Schaden, jeder, der mir Gutes tut, wird mit dem Tod oder Schlimmerem belohnt! Ich will das nicht mehr! Ich habe nicht die Kraft, ein Leben lang Unglück und Leid zu bringen. Nimm es von mir! Mach mich zu einem ganz normalen Menschen – mehr will ich nicht!«
    Ich redete Unsinn, und ich wußte es, aber die Worte hatten sich zu lange in mir aufgestaut, als daß ich sie jetzt noch zurückhalten konnte.
    Und auch Andara schwieg und blickte mich eine lange, lange Zeit nur schweigend an. Sein Körper begann zu verblassen, ganz langsam, aber stetig. Aber kurz bevor er vollends verschwand, sagte er noch etwas, das ich erst viel, viel später wirklich begreifen sollte: Es war falsch von mir, dich darum zu bitten, mich nicht zu hassen, Robert, sagte er. Bitte verzeih mir. Hasse mich, wenn du jemanden hassen mußt. Nicht dich. Niemals dich selbst.
    Und damit verschwand er. Sein Körper zerstob zu dem, was er wirklich war – einer düsteren, irrealen Vision –, trieb wie ein nebeliger Hauch auseinander und war fort. Nicht einmal seine Fußabdrücke waren im feuchten Sand zurückgeblieben. Wie konnten sie auch?
    Trotzdem war ich nicht mehr allein.
    Ich hatte das Geräusch der Kutsche und die Schritte schon lange gehört, aber sie waren nicht wirklich bis an mein Bewußtsein gedrungen, während ich mit dem Geist meines Vaters sprach.
    Als ich mich herumdrehte, stand ich Howard gegenüber. Und der Ausdruck in seinen Augen sagte mir, daß er alles gehört hatte. Jedes Wort.
    Eine Weile sah er mich schweigend an, dann seufzte er, auf die gleiche, traurige Art wie zuvor Andara, deutete mit einer Kopfbewegung auf den noch immer bewußtlos daliegenden Shannon und wies gleichzeitig mit der Hand zur Kutsche zurück.
    »Komm«, sagte er. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Hilf mir, ihn in die Kutsche zu tragen.«

    * * *

    Der Abend war gekommen, und Dunkelheit hatte sich über das Gelände der Miscatonic-Universität gesenkt. Trotz des mächtigen Feuers, das Howard im Kamin der Bibliothek entzündet hatte, machte sich die Kühle des Abends unangenehm bemerkbar.
    Howard hatte Shannon und mich im Gästetrakt der Universität untergebracht. Ihn in einem kleinen, wohl seit Jahren nicht mehr benutztem Zimmer, mich in einem größeren, aus zwei Räumen und einem separaten Bad bestehenden Appartement.
    Wir hatten nicht viel geredet; weder während der Kutschfahrt hierher
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