Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer
Autoren: Boris Vian
Vom Netzwerk:
scharfkantig«, warf das Dienstmädchen ein.
    »Ganz recht«, pflichtete der andere bei, »genauso kann man’s ihnen heimzahlen, den Weibern.«
    »Aber das ist doch ganz unsinnig«, maulte das Hausmädchen, »sie hat nichts Böses getan.«
    »Und was denn hat sie Gutes getan?«
    Der breitgequetschte Rücken der Schwangeren ruhte auf dem Rand des flachen Beckens.
    »Wie geht’s jetzt hier bloß weiter«, seufzte Jacquemort, »das ist nun wirklich beim besten Willen keine Arbeit für einen Psychiater.«

4
    Er überlegte unschlüssig hin und her. Die Frau schwieg, und das Hausmädchen starrte ihn regungslos an, ohne jeden Ausdruck im Gesicht.
    »Man muß ihr das Fruchtwasser ablassen«, sagte sie.
    Jacquemort stimmte teilnahmslos zu, dann hob er betroffen den Kopf. Es wurde plötzlich dunkler.
    »Geht die Sonne etwa unter?«, fragte er.
    Das Dienstmädchen ging nachsehen. Der Tag verflog hinter dem Horizont, und ein lautloser Windhauch hatte sich erhoben. Sie kam beunruhigt zurück.
    »Ich weiß nicht, was da noch kommt ...«, murmelte sie.
    In der Kammer war nichts außer einem phosphoreszierenden Schimmer rund um den Kaminspiegel zu erkennen.
    »Setzen wir uns und warten wir ab«, schlug Jacquemort mit leiser Stimme vor.
    Durch das Fenster drang der Geruch von bitterem Kraut und Staub herauf. Das Tageslicht war verschwunden. In der hohlen Düsternis der Kammer fing die Schwangere zu reden an.
    »Kein Einziges werde ich je mehr kriegen«, sagte sie. »Nie wieder werde ich eins haben wollen.«
    Jacquemort hielt sich die Ohren zu. Ihre Stimme klang, wie wenn Fingernägel über Kupferblech kratzen. Das Dienstmädchen schluchzte verstört. Die Stimme fiel über Jacquemorts Schädel her und durchstach ihm das Gehirn.
    »Die kommen schon noch heraus«, sagte die Schwangere mit einem harten Lachen. »Herauskommen werden sie und mir weh tun, und das ist erst der Anfang.«
    Das Bett begann zu ächzen. Die Schwangere keuchte in die Stille hinein, und wieder hob die Stimme an:
    »Über Jahre und aber Jahre wird sich das hinschleppen, und jede Stunde, jede Sekunde ist vielleicht die letzte, und der ganze Schmerz wird zu nichts anderem nütze gewesen sein, als mir die ganze Zeit hindurch Leid zuzufügen.«
    »Jetzt reicht's aber«, brummte Jacquemort mit Bestimmtheit.
    Die Schwangere schrie jetzt zum Steinerweichen. Die Augen des Psychiaters gewöhnten sich langsam an den Schimmer, den der Spiegel aussandte. Er sah jetzt die Frau, wie sie dalag und sich mit aufgebäumtem Körper aus Leibeskräften anstrengte. Sie stieß langgezogene, aufeinanderfolgende Schreie aus, und ihre Stimme setzte sich wie ein ätzender und klebriger Sprühnebel in Jacquemorts Gehörgängen ab. Mit einem Mal erschienen im Zwickel der angewinkelten Beine nacheinander zwei helle Flecke. Nur am Rande nahm Jacquemort die Hantierungen des Dienstmädchens wahr, das sich aus seiner Schreckerstarrung gelöst hatte, um die beiden Kinder aufzunehmen und in Tücher einzuhüllen.
    »Noch eins«, sagte er bei sich.
    Die gepeinigte Mutter schien dem Ende ihrer Kräfte nahe. Jacquemort stand auf. Sowie das dritte Baby kam, fasste er es geschickt und half so der Frau. Erschöpft sank sie zurück. Lautlos zerriss die Nacht, Licht drang in die Kammer, und die Frau lag nun mit seitwärts gedrehtem Kopf ruhig da. Tiefe Augenringe zeichneten ihr von der Anstrengung verbrauchtes Gesicht. Jacquemort wischte sich Stirn und Nacken ab und wunderte sich, plötzlich die Geräusche vom Garten draußen zu hören. Das Kindermädchen war gerade mit dem Einwickeln des letzten Babys fertig geworden und legte es zu den beiden anderen aufs Bett. Sie ging zum Schrank, entnahm ihm ein Leintuch und breitete es der Länge nach aus.
    »Ich werde ihr den Leib bandagieren«, sagte sie. »Und schlafen muß sie auch. Gehen Sie jetzt bitte.«
    »Haben Sie die Nabelschnüre abgetrennt?«, erkundigte sich Jacquemort noch. »Binden Sie sie schön knapp ab.«
    »Ich habe Schleifchen gemacht«, sagte das Kindermädchen, »das hält genauso gut und sieht besser aus.«
    Er schwieg düster.
    »Gehen Sie doch zu Monsieur nach nebenan«, schlug das Mädchen vor.
    Jacquemort ging an die Tür, hinter der Angel wartete. Er drehte den Schlüssel um und trat ein.

5
    Angel saß auf einem Stuhl, das Rückgrat zum stumpfen Winkel gebrochen, sein Körper schwang noch von Clémentines Schreien nach. Beim Geräusch des Türschlosses hob er den Kopf. Der rote Bart des Psychiaters überraschte ihn.
    »Ich heiße
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher