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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
Autoren: Daniel Polansky
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meinen Weg fort und kletterte über die Hecke, als ich Lichter auf mich zukommen sah. Dann begab ich mich so schnell wie ein gebrochener Mann es eben vermag zum Torkelnden Grafen zurück.

47
    So leise wie möglich stahl ich mich in die Kneipe. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken, musste herausfinden, an welcher Stelle meine Gedankengänge in die falsche Richtung gelaufen waren. Zeisig war und blieb verschwunden und befand sich weiterhin in Gefahr, auch wenn der Herzog ihn nicht entführt hatte. Sobald ich wieder in meinem Zimmer war, holte ich ein Fläschchen Koboldatem heraus und schob es mir unter die Nase. Mein Hörvermögen kehrte zwar langsam zurück, doch nach der ersten Portion vernahm ich nichts als meinen Herzschlag, den die Droge beschleunigt hatte.
    Auf der Kommode lag immer noch Grenwalds Schreiben. Ich öffnete es mit ungeschickten Fingern, wobei ich mir in meiner Hast in den Daumen schnitt und das weiße Pergament mit Blut beschmierte.
    Es handelte sich um die Liste, die ich bei Crispin gefunden hatte, nur dass dieses Blatt nicht zerrissen war und die Magier, die an der Operation Vorstoß teilgenommen hatten, vollständig aufgeführt waren. Ich entdeckte die Namen Brightfellow und Cadamost.
    Und ich entdeckte noch einen weiteren Namen, ganz unten, unterhalb der Stelle, an der das erste Blatt abgerissen gewesen war.
    Ich zog mein Hemd aus, nahm das Rasiermesser aus meinem Ranzen und klappte es auf. All meine Sünden sanken wie eine Last auf mich herab, und einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, die Klinge auf endgültige Weise einzusetzen. Dann schnitt ich mir, vor Schmerz zusammenzuckend, unterhalb des Saphirs in die Schulter.
    Fünf Minuten später eilte ich durch die Unterstadt. Der hastig angelegte Verband, den ich mir aus einem zerrissenen Unterhemd gemacht hatte, war bereits durchgeblutet.
    Bei allen Daevas, ich hoffte, es blieb noch Zeit, die Sache aufzuhalten.

48
    Blaureiher war seit ungefähr sechs Stunden tot. Seine Leiche lag zurückgesunken auf dem Eichensessel in seinem Arbeitszimmer. Seine blauen Augen waren verdreht, die Wunden in seinen Armen und das Messer auf dem Boden wiesen darauf hin, dass er sich selbst entleibt hatte. Auf dem Schreibtisch lag ein Stück Pergament, auf das er die Worte gekritzelt hatte:
    Es tut mir leid.
    Auch mir tat es leid – um ihn. Ich drückte ihm die Augen zu und ging nach unten.
    Die Tür von Celias Arbeitszimmer stand offen. Ich schlich mich hinein. Celia und Brightfellow hatten mir den Rücken zugekehrt. Zeisig saß apathisch auf einem Stuhl in der Ecke, ungefesselt, aber mit glasigem Blick.
    »Ich bin dafür, dass wir ihn sofort erledigen.« Heute wirkte Brightfellow noch mitgenommener als am Tag zuvor. Er trug die gleiche Kleidung wie bei der Party und fuchtelte wild mit den Händen. »Lass es uns tun und ihn wegbringen, bevor uns jemand auf die Schliche kommt.«
    Celia hingegen war die Ruhe selbst. Sie stand am Tisch und beschäftigte sich mit den chemischen Gerätschaften, die dort aufgebaut waren. »Du weißt so gut wie ich, dass das Fieber einen halben Tag braucht, um sich zu entwickeln, und wir haben den Jungen noch gar nicht infiziert. Bloß weil du nervös wirst, werde ich nicht alles aufs Spiel setzen, was wir vollbracht haben.« Sie goss den Inhalt eines Messbechers in ein kleineres Gefäß und wies mit dem Kopf auf Zeisig. »Setz dich lieber hin und pass auf ihn auf.«
    »Der entkommt uns schon nicht. Mein Zauber hat ihn für den Rest der Nacht ausgeschaltet.«
    »Er hat die gleiche Gabe wie die anderen, auch wenn er sie noch nicht anzuwenden vermag. Trotzdem muss man mit unvorhergesehenen Reaktionen bei ihm rechnen.«
    Brightfellow kaute an einem schmutzigen Fingernagel herum. »Du hast gesagt, du könntest den Saphir nicht mehr spüren.«
    »Ja, Johnathan, das habe ich gesagt.«
    »Das heißt, er ist tot, richtig?«
    »Es heißt genau das, was es heißt«, erwiderte sie in ruhigem Ton.
    »Er muss tot sein«, meinte Brightfellow.
    Celia hob den Kopf und schnupperte. »Das bezweifle ich«, entgegnete sie, indem sie einen Destillierkolben beiseitestellte. Dann drehte sie sich zu mir um. »Wie lange bist du schon hier?«
    »Lange genug.«
    Als mich Brightfellow erblickte, geriet er vollends aus dem Gleichgewicht. Er wurde leichenblass, und sein Blick flackerte zwischen Celia und mir hin und her, als hoffte er, in der Luft zwischen uns etwas zu entdecken, das die Situation retten würde.
    »Das bedeutet wohl, dass Beaconfield …«,
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