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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
Autoren: Daniel Polansky
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Druckwelle schleuderte uns in entgegengesetzte Richtungen. Da ich jedoch damit gerechnet hatte, rappelte ich mich als Erster wieder hoch. Ich zog einen Dolch aus meinem Stiefel und stürzte mich auf Beaconfield, der benommen, aber nicht bewusstlos in der Ecke lag. Das war nicht gut – ich hatte gehofft, dass er das Bewusstsein verlieren würde, damit ich ihn ohne Gefahr erledigen konnte. Trotz seiner Benommenheit reagierte er mit außergewöhnlicher Schnelligkeit. Er wich meinem Dolchstoß aus und umklammerte das Gelenk der Hand, in der ich die Waffe hielt.
    Er war stärker, als ich gedacht hatte, und erwies sich wider Erwarten als richtiger Kämpfer. Dass er mit seinem Schwert gut umzugehen vermochte, war mir selbstverständlich bekannt. Aber ein Kämpfer ist ein Mann, der angreift, obwohl er verwundet ist, und sich nicht von Schmerzen abhalten lässt. Er hatte Mumm, auch wenn man das seinem ganzen Habitus und seiner Kleidung nicht anmerken mochte. Ich denke, er verdient es, dass man das in Erinnerung behält, obgleich es ihn natürlich nicht reinwäscht. Ich versuchte, ihm einen Genickschlag zu versetzen, den er jedoch mit der ihm eigenen, erstaunlichen Behändigkeit abwehrte.
    Ich weiß nicht, wie es ausgegangen wäre, wenn wir fair gekämpft hätten – aber ich halte nicht viel von Fairplay. Die zweite Bombe ging hoch, diesmal direkt unter uns. Im nächsten Moment lag ich auf dem Rücken, geblendet von grellem Licht, und hatte ein schreckliches Dröhnen in den Ohren. Kurz darauf verschwand das Licht, während das Dröhnen weiter anhielt. Ich betastete meine Ohren – kein Blut, obwohl das nichts besagte. Im Krieg hatte ich es oft genug erlebt, dass jemand ertaubte, der keinerlei Anzeichen von Verletzung aufwies. Ich stieß einen lauten Schrei aus, den ich nicht zu hören vermochte.
    Reiß dich zusammen, reiß dich zusammen! Das Dröhnen wird aufhören oder auch nicht – wenn du hier liegen bleibst, kannst du dich gleich einsargen lassen. Ich stand auf, unfähig weiterzukämpfen, sodass ich nur hoffen konnte, dass es den Herzog noch schlimmer erwischt hatte als mich.
    Und so war es. Die Explosion hatte klaffende Löcher im Fußboden hinterlassen und die Dielen in tausend Stücke gerissen. Ein dicker Holzsplitter von Armeslänge hatte sich Beaconfield in den Bauch gebohrt. Er lag rücklings auf einem herabgestürzten Balken, aus seinem Mund sickerte Blut. Ich wankte zu ihm hinüber.
    »Wo ist Zeisig?«, fragte ich. »Der Junge – wo ist er?«
    Der Herzog hatte noch die Kraft zu einem letzten Lächeln, das er voll ausspielte. Dann sagte er so langsam, dass ich ihm die Worte von den Lippen ablesen konnte: »Als Detektiv sind Sie nicht so gut wie als Killer.«
    Das konnte ich nicht abstreiten.
    Nachdem er sich so verausgabt hatte, sank Beaconfield zu Boden. Kurz darauf war er tot. Ich drückte ihm die Augen zu und erhob mich.
    Kein Mann verschwendet seinen letzten Atemzug an eine Lüge. Er hatte die Bemerkung aus Gemeinheit vom Stapel gelassen, als letzten Schlag, den er mir versetzte, bevor Sie-die-am-Ende-aller-Dinge-steht ihn in Empfang nahm. Er hatte Zeisig nicht entführt. Ich hatte irgendwo Mist gebaut, ganz schrecklichen Mist, wusste aber nicht, an welcher Stelle.
    Die Zeit verging, und es war mehr als wahrscheinlich, dass jemand die Explosion in Lord Beaconfields Haus bemerkt hatte. Ich eilte nach unten. Falls ich einem der Wächter begegnete, war ich so gut wie tot, das wusste ich.
    Der hintere Flügel des Hauses war eingestürzt, der zum Hintereingang führende Korridor unter Tonnen von Holz und Ziegelsteinen begraben. Die schönen Teppiche im Saal waren mit Ruß besudelt, überall lagen Splitter der zerstörten Kronleuchter umher. Eine der Explosionen hatte in der Küche einen Brand ausgelöst, der sich rasch im ganzen Haus ausbreitete.
    Der Butler des Herzogs lag neben der Tür. Sein Kopf war auf eine Weise verdreht, die noch nicht einmal ein Schlangenmensch zustande gebracht hätte. Der Tod schien mir eine ungerechte Strafe für seine Überheblichkeit und unangenehme Art zu sein, doch die wenigsten von uns bekommen, was sie verdienen. Ich trat über ihn hinweg und ging nach draußen.
    Während ich mich zum Tor schleppte, bemerkte ich plötzlich, dass das Dröhnen in meinen Ohren nachgelassen hatte, zwar nicht ganz, aber immerhin so weit, dass ich wusste: Ich war nicht ertaubt. Am liebsten wäre ich weinend auf die Knie gesunken, um dem Erstgeborenen für seine Güte zu danken. Stattdessen setzte ich
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