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Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Titel: Der Herr der Ohrringe (German Edition)
Autoren: Myk Jung
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es donnernd und jäh von oben, wo sich, unbemerkt von jedermann, was erstaunenswürdig war, Dusterwolken grässlichster Konturen turmhoch zusammengeballt hatten, wo plötzlich Blitze mit Getöse tobten und Donner zuckend gleißte. Und alle starrten nach oben und gewahrten die abscheuliche Gestalt des Unscheinbaren, der ganz offensichtlich scheinbar geworden war, namentlich entsetzlich und über alle Maßen mächtig wirkend, mit Ausbeulungen in der Bauchgegend, die dem Ideal des Konvexen huldigten; und er schwebte.
    »Stöbert nicht und seid versklavt!«, grölte das Scheusal, und manche der Anwesenden fürchteten, es hätte sich dem Bösen zugewandt. »Denn hier ist Er: der Eine Ehering. Der Schlimmste der Schlimmen. Und mittels seiner Macht rufe ich ein neues Düsteres Zeitalter aus. Und nun fallt in den Schlund – oder unter den Schatten, da will ich mal Fünfe gerade sein lassen, denn es ist mir gleich, und nörgelt nicht! Oder halt – nörgelt doch !«
    Und das Zeitalter des Unentwegten Frohlockens endete, und es nutzten alle Worte und Taten und jegliche Versuche der Friedensstiftung nichts, denn sie schlugen fehl, und die Weisheit der Weisen, Halb-Weisen und Helden versagte vor der Allmacht des Unscheinbaren, der sich in der Tat, und nun für jeden offensichtlich, zum Bösen entschlossen hatte – und der dummerweise ja der Träger des Furchtbarsten Kleinods an sich war. Sogar die zwei Saurums konnten nichts ausrichten, so sehr sie sich bemühten. Und schon wanderten zahllose Seelen fort auf den Unwegsamen Pfaden der Unerträglichen Einsamkeit, jenen, die durch das Reich des Unerquicklichen Unglücks direkt in die Unentrinnbare Verdammnis führen.
    Doch plötzlich, als in aller Herzen jedwede Hoffnung erstarb, und von allen gänzlich unerwartet, fielen die Blicke des Unscheinbaren auf Pipifaxens Rucksack, woraus etwas gekollert war: ein Bündel grellbunter naturalistischer Abbildungen, die sich nun entfalteten.
    Und der Entsetzliche kreischte von oben herab: »Eines, und nur eines allein, könnte mich beschwichtigen in meiner Unendlichen Wut – womöglich sogar meinem Uferlosen Hass ein Ende bereiten. Es ist das, was dort drüben aus dem Rucksack kollerte. Habt ihr mehr davon? Könnte ich sie haben?«
    »Nun gut«, sprach Pipifax. »Ein paar kann ich ja abgeben.«
    Und also endete das Finstere Zeitalter unter der Vorherrschaft des Unscheinbaren, und er entsagte der Bosheit, um sich fortan der Anbetung naturalistischer Abbildungen zu widmen. Und gerettet ward die Mittelmäßige Welt, und glücklich zogen sich die Heerscharen nach Vidas Tierlyth zurück, um alsbald auf gemütlichen Steinsofas zu kuscheln.

Sechsunddreissigstes Kapitel:
Die Dünnen Wände
    Ganzhalb der Graue saß bequem, denn die meisten seiner Knie hatte er so geschickt angewinkelt, dass sie sich nicht an den steinigen Kanten der Kuschelecke schrammten. Macho, zwei Nazgulashs, Radar-Gast und der Waldalberne Haldë lauschten gespannt seinen Geschichten aus dem entschwundenen Land Belehreramd des Fünftletzten Zeitalters, als der Zauberer urplötzlich mitten im Erzählen innehielt. Der Unscheinbare, der gerade in einer steingemetzerten Kochnische einen finsterforstlichen Tee zubereitete, rief ungeduldig: »Jetzt mach’s mal nicht so spannend, alter Fuchs! Was also sagte Tu-Rin zu Bingho Graujacke? Oder hat er ihm direkt was unters Kinn gehauen? Verdient hätt’ der’s ja. Dieser Bingho scheint mir ohnehin etwas überbewertet, so in der Retrospektive.«
    Ganzhalb jedoch regte sich nicht und starrte gegen die plüschigen Steinwände. Dann stieß er hervor: »Mayene Vraessae, ich hab’ die ganze Zeit über nicht mehr daran gedacht! Wir sind ja gar nicht zu Hause! Und sehet: Wir sind die elenvahr !«
    »Was meinst du damit, Verdorrter, einstmals Erblühter?«, fragte Radar-Gast. »Macho!«, rief Ganzhalb und rüttelte den halb eingeschlafenen Döskopp an den Schultern. »Unsere Welt liegt hinter dünnen Wänden, nur ein Augenzwinkern entfernt, aber auch ein Universum weiter – jedoch nicht hier!«
    Macho verstand zunächst nicht, was der Zauberer meinte, und wieder warf er versehentlich, diesmal allerdings mit dem Fuß, einen Bierhumpen um, der sich sinnbildhaft entleerte. Einer der Ohrringgeister hingegen kratzte sich an der Dunklen Schläfe und raunte: »Ah! Mir geht ein Moduul-Licht auf! Es sind diese Parallel-Verstrickungen, davon du sprichst, stimmt’s? Die Andere Welt, eh?«
    »Genauso ist es«, antwortete Ganzhalb langsam. »Wir sind
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