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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel
Autoren: Catherine Coulter
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in Dublin am Hofe des Königs auf.« Sie würde seine Haltung nie vergessen, den Hochmut, mit dem er zu ihr heraufbrüllte: »Herrin, geh an dein Spinnrad! Kümmere dich um das Nachtmahl und behalte deine Zunge im Zaum, wie sich das für eine Frau gehört.« Er glaubte ihr nicht, er glaubte nichts von dem, was sie sagte. Sie hatte seine List ebenso bewundert wie Gunleik. »Wird er durchkommen?« fragte sie jetzt.
    »Er ist jung und stark. Wenn er dem Fieber nicht erliegt, bleibt er am Leben. Aber das weißt du besser als ich.«
    Sie ließ ihn stehen und begab sich in Einars Schlafkammer, wohin man den Verwundeten gebettet hatte. Der Mann faszinierte sie. Sie suchte immer wieder seine Nähe.
    Eine Binsenfackel verbreitete flackerndes Licht. Es war warm in der Kammer.
    Der Mann lag unter mehreren Schichten Wolldecken. Seine Schulter war mit sauberen weißen Wollstreifen verbunden. Es sickerte kein Blut mehr durch den Verband. Entweder war er bewußtlos, oder er schlief sehr tief.
    Sie setzte sich an den Rand des Kastenbettes und legte ihm die flache Hand auf die Stirn, die heiß war wie glühende Kohlen. Sie tauchte ein Tuch in eine Schüssel mit kaltem Wasser und wischte ihm über Gesicht und Hals. Immer wieder. Er murmelte etwas, das sie nicht verstand.
    Rorik glaubte, er sei gestorben und in Walhall. Er war zu Odin, dem Allvater, gegangen. Er war als Krieger im Kampf gefallen. Über ihm die sanfte Stimme einer Walküre, die ihm mit kühlen Fingern über die Stirn strich und Worte sprach, die er nicht verstand. Sie war bei ihm, und er war tot. Es gab keine Rache, keinen Kampf, keinen Sieg mehr für ihn. Er konnte nichts sehen, und das war seltsam. Erblindete ein Mann, wenn er starb? Nein. Ein Mann in Walhall fühlte und sah und aß und sang und vergnügte sich mit Frauen. Ihm war nicht nach Singen zumute. Er spürte einen stechenden Schmerz in der Schulter. Auch das war ungewöhnlich. Nach dem Tod gab es keinen Schmerz. Der Schmerz verebbte und schwoll wieder an, und er zwang sich, ihn hinzunehmen, was ihm schwerfiel. Er hatte sich wohl noch nicht ganz in den Zustand des Sterbens eingefunden. Er spürte feuchte Kühle auf seinem Gesicht, auch das war seltsam. Die Kühle breitete sich über seine Schultern, seine Arme, seinen Bauch aus.
    Die Stimme der Walküre wurde leiser und erstarb im Dunkel, das ihn einhüllte.
    Mirana erhob sich. Das Fieber war gesunken. Er fühlte sich beinahe kühl an. Gunleik hatte recht. Er würde überleben. Er war jung und stark.
    Sie blickte auf ihn hinunter, überlegte, ob sie ihm nicht Gift einflößen sollte, damit er friedlich sterben konnte. Sie dachte an Einar und wußte, daß er diesen Mann foltern würde, ihn brechen würde, bis aus ihm ein winselndes Häufchen Elend geworden war. Einar würde sicherlich jedes Röcheln aus der Kehle seines Gefangenen genießen.
    Männer und Rache. Er würde einen grausamen Tod sterben, weil er an Einar Rache üben wollte. Sie sollte ihm Gift einflößen, war aber nicht imstande dazu, denn solange er lebte, gab es Hoffnung für ihn, wenn auch nur einen winzigen Schimmer.
    Wieder wischte sie ihm mit dem feuchten Tuch über Gesicht und Brust, bis sie überzeugt davon war, daß er fieberfrei war. Sie zog ihm die Wolldecke bis zum Hals, betrachtete ihn noch einmal und ging.
    Gunleik sprach leise mit einem seiner Männer, Kolbein dem Ochsen. Den Namen hatte er nicht wegen seiner Körpergröße bekommen, sondern wegen seiner schweren Augenlider, die ihm das Aussehen eines Dummkopfs gaben, der er ganz und gar nicht war. Sie trat zu den beiden Männern.
    Gunleik kratzte sich am Kopf: »Unter uns ist ein Verräter, du weißt es, und ich weiß es. Wer immer er ist, der Mann schob den Querriegel am hinteren Einlaß hoch. Er wußte nicht, daß ich einen Überraschungsangriff auf die Männer unten am Strand geplant hatte, also gehört er nicht zum inneren Kreis meiner Gefolgsleute. Er wußte nicht, daß ich mit zwei meiner Männer die Festung verlassen hatte und mich hinter den Eindringlingen befand. Der Spion mußte vor Angst fast vergangen sein, als der Plan des Fremden scheiterte.«
    »Ich weiß nicht, wer dieser Mann sein kann«, sagte Kolbein düster. »Es gefällt mir gar nicht, Gunleik. Ich hasse Verräter. Nur wenige unserer Männer kannten deinen Plan.«
    »Das ist richtig. Ah, Mirana. Wie geht es dem Gefangenen? Hat er das Fieber überstanden?«
    »Ja. Er schläft. Hast du keinen Verdacht, wer der Verräter sein kann?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir
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