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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel
Autoren: Catherine Coulter
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werden es herausfinden. Vielleicht weiß Einar Rat, wenn er kommt.«
    »Was geschieht mit den anderen Männern?«
    »Wir lassen sie getrost unten am Strand stehen. Sie werden keinen Angriff wagen. Das wäre Selbstmord. Ich werde sie nicht angreifen und ihre Schiffe versenken. Einar wird die Schiffe entern und seiner eigenen Hotte einverleiben.«
    Mirana trat an die Herdstelle und tauchte einen langen Holzlöffel in den Eisentopf. Sie füllte ihre Holzschale mit Haferbrei, gab ein Stück Butter dazu und setzte sich auf eine Holzbank neben einen der schnarchenden Männer. Sie zwang sich, ruhig und methodisch zu essen.
    Was hatte Einar getan, um den Haß dieses Mannes auf sich zu ziehen?
    Er war wach und begrüßte den Schmerz freudig, denn er bedeutete, daß er noch lebte. Er wußte aber auch, daß seine Lage ziemlich hoffnungslos war. Er lag in einer halbdunklen Kammer. Jetzt hörte er eine näherkommende Stimme. Er schloß die Augen. Es war die leise Stimme der Frau: »Er hat zwei Tage durchgeschlafen. Ich habe ihn gefüttert, aber er hat mich nicht wahrgenommen. Er aß Brühe und Haferbrei. Er müßte bald aufwachen. Einar wird morgen zurückerwartet.« Sie lachte trocken auf. »Bis dahin muß er soweit wiederhergestellt sein, daß Einar ihn zu Tode foltern kann.«
    »Das ist der Lauf der Welt«, sagte eine Männerstimme, die dem Mann gehörte, der das Messer in seine Schulter geworfen hatte. »Ich muß gehen, Mirana. Nimm dich in acht. Auch wenn er verwundet ist, er ist ein Mann und ein Wikinger. Wenn er könnte, würde er dich auf der Stelle töten.«
    Er hörte das Rascheln ihres Rockes, spürte ihre Hand auf seiner Stirn, spürte die Wärme ihres Atems an seiner Wange. Er wollte die Augen öffnen. Nein, er mußte warten.
    »Ich habe dir Haferbrei gebracht. Du mußt essen, damit du zu Kräften kommst. Der Honig wird dich wieder zum Leben erwecken und deinen Mund süß machen. Ich weiß, du bist wach. Bleib liegen und öffne den Mund. Ich füttere dich, wie ich es seit Tagen tue.«
    Er rührte sich nicht. Sie blickte ihn an und fragte sich, ob er Frau und Kinder hatte und wo er lebte. Sie wünschte, sie könnte ihn schnell in Würde sterben lassen, doch sie brachte es nicht über sich. Sie scheute sich, die Verantwortung für seinen Tod zu tragen. Kraft und Mut hatte sie immer bewundert. Aber da war noch etwas, das sie nicht erklären konnte. Sie wollte und durfte ihn nicht sterben lassen. Dieses unerklärliche Gefühl hatte sie auch, als er draußen im strömenden Regen im Hof stand, von Gunleiks Männern umringt, mit dem Messer in der Schulter; als sie vortrat, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Nein, sie durfte ihn nicht sterben lassen. Er brauchte Kraft, und sie war entschlossen, ihm Kraft zu geben, und deshalb sagte sie wieder: »Mach den Mund auf und iß.«
    Er öffnete die Augen und blickte sie an, die Hexe mit dem schwarzen Haar und dem bleichen Gesicht.
    Sie setzte sich neben ihn und hielt ihm den Holzlöffel an die Lippen. Er öffnete den Mund und aß. Der Brei schmeckte köstlich. Er leerte die Schale und spürte geradezu, wie die Kraft in ihn zurückfloß. »Wer bist du?«
    »Mirana, die Schwester von Einar.« Seine Augen hatten die Farbe des wolkenlosen Himmels im Hochsommer.
    »Einar hat keine Schwester.«
    »Seine Halbschwester. Wir haben verschiedene Väter. Mein Vater war Audun; seiner war Thorsson.«
    »Du läßt mich am Leben, damit er das Vergnügen hat, mich zu foltern.«
    Sie blieb ihm die Antwort schuldig und erhob sich. »Du mußt dich ausruhen. Ich komme bald wieder. Willst du dich erleichtern?«
    Er öffnete die Augen. »Ja«, sagte er und schloß sie wieder.
    »Wie heißt du, Wikinger?«
    »Ich bin Rorik Haraldsson.«
    »Warum bist du gekommen? Wer ist dein Spion? Warum willst du Einar töten?«
    »Ich antworte nicht auf Fragen törichter Weiber. Du langweilst mich. Laß mich allein.«
    Unter halbgeschlossenen Augenlidern sah er, wie sie die Schultern straffte. Wortlos ging sie.
    Später kam sie wieder, er hatte inzwischen tief geschlafen. Sie brachte eine Schale Haferbrei. Schweigend setzte sie sich an den Bettrand und fütterte ihn. Als er gesättigt war, wandte er den Kopf zur Seite.
    Er wandte sich ihr wieder zu, seine Augen waren kalt, sein Blick abschätzend. »Ich könnte dich erwürgen«, sagte er. »Du hast einen dünnen Hals. Ich könnte ihn dir mit einer Hand umdrehen. Du wärst tot, bevor dir jemand zu Hilfe kommen könnte.«
    Sie lachte. Ihre unerwartete Heiterkeit ließ ihn
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