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Der Hauptmann von Koepenick

Der Hauptmann von Koepenick

Titel: Der Hauptmann von Koepenick
Autoren: Carl Zuckmayer
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Sie denn das alles, das ganze militärische Kommando, das hat doch alles bis ins kleinste geklappt!
    VOIGT
Wissense, Herr Direktor, det is weiter nischt, sone Uniform, die macht det meiste janz von alleene. Und in Zuchthaus Sonnenburg, da ham wa in den Freizeiten immer de Felddienstordnung zu lesen jekriegt, und det Exerzierreglement. Da hatt ick mir immer sehr für interessiert.
    DIREKTOR
Und da hatten Sie gar nichts weiter vorbereitet? Da sind Sie einfach hingegangen und haben auf der Straße die erste beste Wache angehalten und sind damit nach Köpenick gefahren?
    VOIGT
Ick hab mir de Uniform angezogen – und denn hab ick mir ’n Befehl jegeben – und denn bin ick losjezogen und hab ’n ausjeführt.
    DIREKTOR
Glück habense gehabt, das muß man sagen.
    VOIGT
Det jehört zur Kriegsführung, Herr Direktor. Glück is de erste Fordernis der Feldherrngabe, hat Napoljon jesagt.
    DIREKTOR
An Ihnen is ja nu wirklich ’n kleener Napoleon verlorengegangen. Schenkt ihm ein Trinkense nur!
    VOIGT
Danke, danke, ick spür’s schon ’n bißken. Aber det schmeckt extragewöhnlich gut. Riecht daran Det könnt ick mir direkt anjewöhnen.
    DIREKTOR
lachend Wenn Herr Hauptmann nur mit uns zufrieden sind.
    VOIGT
Det bin ick. So gut is mir noch nich jegangen uffn Amt. Sonst hamse mir immer nur einjesperrt oder rausjeschmissen.
    EIN POLIZIST
in der Tür Die Uniform ist zur Stelle.
    DIREKTOR
Reinbringen! Die müssen wir sehn. Während die Pappschachtel gebracht und ausgepackt wird Wo hattense die eigentlich her?
    VOIGT
Aus de Grenadierstraße, vom Kleiderjuden. Die hab ick jekauft, det is mein rechtmäßiges Eigentum!
    KOMMISSAR
So, da hat sich aber keiner gemeldet, trotz unserer Anschläge. Die hamse wohl umsonst jekauft, was? Macht die Bewegung des Klauens.
    VOIGT
mit ruhiger Würde Mein lieber Herr, ick hab in mein Leben noch keinen Mitmenschen wat wechjenommen. Ick habe immer nur mit der Behörde jekämpft.
    DIREKTOR
hat die Uniform herausgenommen, hält den Rock hoch Tatsächlich! ’n echter Garderock, von ner Potsdamer Firma. ’n tüchtiges Alter hat se aufn Puckel.
    VOIGT
hebt das Glas Aber für ihre Jahre isse noch janz tauglich, was? Trinkt der Uniform zu.
    DIREKTOR
Hörnse mal, ziehnse se mal an, wollense? Nur ’n Rock, das genügt! Den Rock und die Mütze – das möcht ich doch mal sehn!
    VOIGT
Gerne, wenn’s Ihnen Vajnügen macht. Ich kannse nochmal anziehn. Jebense man her. Zieht seinen Rock aus.
    DIREKTOR
leise zum Polizisten ’n Photograph, bitte. Laut zu Voigt Darf ich Ihnen helfen, Herr Hauptmann!
    VOIGT
Nee, danke, det jeht schon! Er schlüpft in den Rock, knöpft zu, setzt die Mütze auf.
    DIREKTOR
kann sich das Lachen kaum verbeißen Det is ja großartig. Zu den anderen Das fährt einen in de Knochen, da steht man von selber stramm, was?
    VOIGT
legt lässig die Hand an den Mützenschirm Danke. Lassense rühren.
    DIREKTOR, INSPEKTOR UND KOMMISSAR
zusammenstehend, lachen einfach los. Auch die Polizisten grinsen.
    VOIGT
ganz ernst Verzeihung, Herr Direktor, ick hätt ne Bitte.
    DIREKTOR
Natürlich, was denn, sagense’s nur!
    VOIGT
Kann ick vielleicht mal ’n Spiegel haben? Ick habe mir nämlich noch nie in Uniform jesehen.
    DIREKTOR
Noch nie – is ja fabelhaft! Habense gar keene Probe gemacht vorher?
    VOIGT
Nee, da war keen Spiegel drin, wo ick mir umjezogen habe.
    DIREKTOR
Rasch, ’n Spiegel, den großen aus der Garderobe. Na, Sie werden staunen!
    VOIGT
Da muß ick mir nu man stärken vorher. Da drauf muß ick mir vorbereiten. Nimmt sein Portweinglas, füllt es, trinkt.
    DIREKTOR
wischt sich die Augen Meine Herren, das ist die schönste Stunde meiner dreißigjährigen Dienstzeit.
    POLIZIST
mit dem Spiegel.
    DIREKTOR
Da stellense’n hin! So, Herr Hauptmann, nun schaunse sich mal an, da kriegense Respekt vor sich!
    VOIGT
tritt vor den Spiegel, das Portweinglas in der Hand. Er steht mit dem Rücken zum Publikum. Direktor tritt mit den anderen beiseite, beobachtet ihn. Voigt steht zuerst ganz ruhig – dann beginnen seine Schultern zu zucken, ohne daß man einen Laut hört – dann beginnt seine Gestalt zu schüttern und zu wanken, daß der Portwein aus dem Glas schwappt – dann dreht er sich langsam um – lacht – lacht immer mehr, lacht übers ganze Gesicht, mit dem ganzen Körper, aus dem ganzen Wesen – lacht, bis ihm der Atem wegbleibt und die Tränen herunterlaufen. Aus diesem Lachen formt sich ein Wort – erst leise, unverständlich fast – dann immer stärker, deutlicher,
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