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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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jawohl, in der Frage der Sittlichkeit müsse man ganz unerbittlich
sein: wenn sie zum Beispiel Adele, diesen groben und dummen Klotz
behalte, so geschehe es nur wegen der Anständigkeit jener Gans. In
dieser Hinsicht könne man ihr nichts vorwerfen.
    Arme Adele, wenn man bedenkt! seufzte Trublot, wieder ergriffen
von der Zärtlichkeit für die Unglückliche, die da oben unter ihrer
dünnen Bettdecke fror.
    Dann neigte er sich zu Octave hin und fuhr fort:
    Dieser Duverdy könnte ihr doch zumindest eine Flasche Bordeaux
hinaufschicken.
    Ja, meine Herren, fuhr der Rat fort, die Statistik beweist ganz
klar, daß die Kindesmorde in ganz erschreckendem Maße
zunehmen … Sie geben heute den Eingebungen Ihrer Gefühle
zuviel Raum, wie sie denn überhaupt zu großen Mißbrauch treiben mit
der Wissenschaft, mit ihrer angeblichen Menschenkenntnis, mit der
man bald dahin gelangen wird, das Gute vom Bösen nicht
unterscheiden zu können … Die Unzucht läßt sich nicht heilen,
sie muß mit der Wurzel ausgeschnitten werden.
    Diese Bemerkung war gegen Doktor Juillerat
gerichtet, der vorher den Fall der
Schuhstepperin vom Standpunkte der Medizin beurteilt haben
wollte.
    Im übrigen zeigten sich auch die anderen Herren von Abscheu und
Strenge erfüllt. Campardon erklärte, er vermöge das Laster nicht zu
begreifen; Onkel Bachelard verteidigte die Kindheit, Theophil
verlangte eine fachwissenschaftliche Untersuchung, Leo besprach die
Prostitution in ihrer Beziehung zu dem Staate, während Trublot auf
eine Anfrage Octaves diesem von Duverdys neuer Geliebten erzählte:
sie sei eine recht nette Frau, etwas reif schon, aber mit
romantischen Neigungen und empfänglichem Herzen für das Ideal,
dessen der Rat bedürfe, um seine Seele zu läutern: kurz eine
empfehlenswerte Person, die seinem Haushalte den Frieden
wiedergebe, ihn gehörig ausbeute und nebenbei mit seinen Freunden
betrüge – und zwar mit Vermeidung alles überflüssigen Aufsehens.
Der Abbé Mauduit allein schwieg still mit zu Boden gesenkten Augen
und die Seele von Trauer erfüllt.
    Man schickte sich mittlerweile an, den Chor der »Schwerterweihe«
zu singen. Der Salon hatte sich gefüllt: eine Flut von Toiletten
drängte sich unter dem hellen Lichte der Kronleuchter und Lampen,
ein heiteres Gelächter lief durch die geraden Sesselreihen; gedeckt
durch diesen Lärm zankte Clotilde leise ihren Bruder August aus,
der, als er Octave mit den Herren vom Chor eintreten sah, den Arm
Bertas ergriff und sie zwingen wollte, sich zu erheben. Doch von
den Kopfschmerzen geplagt und durch die stumme Mißbilligung der
Damen entmutigt, gab er bald nach. Die strengen Blicke der Frau
Dambreville brachten ihn zur Verzweiflung:: selbst die andere Frau
Campardon war gegen ihn. Frau Josserand entschied die Sache. Sie
trat plötzlich dazwischen und drohte, ihre Tochter zurückzunehmen
und ihm niemals die 50 000 Franken Mitgift zu geben; denn sie
sprach noch immer sehr entschieden von
dieser Mitgift. Sie wandte sich zum Onkel Bachelard, der hinter ihr
neben Frau Juzeur stand und ließ ihn sein Versprechen wiederholen.
Der Onkel legte die Hand aufs Herz: er kenne seine Pflicht,
versicherte er; die Familie gehe ihm über alles. August wich
geschlagen zurück; er flüchtete in die Fensternische und preßte die
glühende Stirne an die eisigen Scheiben. –
    Octave aber war von seltsamen Empfindungen bewegt, als er in
diesen Kreis wieder eintrat. Ihm war, als ob den zwei Jahren, die
er in diesem Hause verlebt hatte, die Krone aufgesetzt werde. Seine
Frau war da und lächelte ihm zu, und dennoch schien in seinem
Dasein sich nichts ereignet zu haben: Heute war wie gestern; es gab
keinen Stillstand und keine Entwicklung. Trublot zeigte ihm neben
Berta den neuen Teilhaber, einen kleinen, sehr koketten, blonden
Herrn, der sie, wie man sagte, mit Geschenken überhäufe. Der Onkel
Bachelard, wieder in die Poesie verfallen, zeigte sich der Frau
Juzeur im Lichte der Schwärmerei und rührte sie durch seine intimen
Mitteilungen über Fifi und Gueulin. Theophil, der wieder von
Zweifeln geplagt wurde und entsetzlich hustete, zog den Doktor
Juillerat beiseite und bat ihn, er möge doch seiner Frau ein
beruhigendes Mittel geben. Campardon, die Augen fortwährend auf die
Kusine Gasparine gerichtet, sprach von seiner bischöflichen Diözese
Evreux und kam schließlich auf die großen Arbeiten in der neuen
Straße des 10. Dezember zu reden. Er verteidigte Gott und die
Kunst, schloß übrigens mit der Bemerkung,
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