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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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daß er sich um die Welt
nicht viel kümmere, denn er sei Künstler. Hinter einem Blumentopfe
war der Rücken eines Herrn zu sehen, den alle heiratsfähigen
Töchter mit vieler Neugierde betrachteten. Es war Verdier, der mit
Hortense sprach. Sie waren in einer ziemlich erregten Erklärung
vertieft und verschoben schließlich die
Hochzeit wieder bis zum Frühjahr, um die andere mit ihrem Kinde
nicht zur Winterszeit auf das Straßenpflaster zu setzen.
    Der Chor begann. Der Architekt stimmte mit gerundetem Munde den
ersten Vers an. Clotilde schlug ihren Akkord und warf ihren Schrei
in den Saal. Und dann fielen die Stimmen ein, der Gesang schwoll an
und entwickelte sich allmählich zu einer Heftigkeit, welche die
Kerzen zittern und die Damen erbleichen ließ, Trublot, der unter
den Bässen nicht zu verwenden war, wurde wieder als Bariton
versucht. Die fünf Tenöre wurden sehr bemerkt, insbesondere Octave;
Clotilde bedauerte sehr, daß sie ihm nicht eine Solopartie
anvertrauen konnte. Als die Stimmen sich endlich senkten und sie
die Begleitung dämpfte, den taktmäßigen Gang einer Scharwache
nachahmend, brach ein rauschender Beifall los, sie ward von allen
Seiten beglückwünscht, ebenso die Herren vom Chor.
    Beim Tee, der dann folgte, gab es das nämliche Auftreten der
Gäste, die nämlichen Tassen und die nämlichen Butterbrote. Der Abbé
Mauduit befand sich einen Augenblick allein in dem verödeten Salon.
Er betrachtete durch die weit geöffnete Tür das Gewühl der Gäste
und lächelte überwunden. Noch einmal warf er den Mantel der
Religion über dieses verderbte Bürgertum als Zeremonienmeister, der
das Gebreste verhüllt, um die endliche Auflösung hintanzuhalten. Er
mußte wohl die Kirche retten, da Gott auf seinen
verzweiflungsvollen Schrei nicht geantwortet hatte.
    Um Mitternacht begann die Schar der Gäste sich zu lichten.
Campardon entfernte sich mit der anderen Frau Campardon unter den
ersten. Leo und Frau Dambreville folgten ihm bald, vertraulich und
einträchtig wie ein Ehepaar. Verdier war längst fort, als Frau
Josserand sich mit Hortense zurückzog und dieser eine Strafpredigt
hielt darüber, was sie ihren romantischen
Eigensinn nannte. Der Onkel Bachelard, vom Punsch berauscht, hielt
an der Türe Frau Juzeur noch einen Augenblick zurück, deren
erfahrungsreiche Ratschläge ihn erfrischten und stärkten. Trublot
hatte Zucker gestohlen und wollte ihn über den Küchengang Adelen
bringen, allein im Vorzimmer befand er sich August und Berta
gegenüber; er ward sehr verlegen und tat, als ob er seinen Hut
suche.
    In diesem Augenblick kam auch Octave mit seiner Frau heraus und
verlangte die Überkleider. Es herrschte allgemeine Verlegenheit.
Das Vorzimmer war nicht groß; Berta und Frau Mouret standen hart
nebeneinander, während Hyppolite die Garderobe durchstöberte. Sie
lächelten einander zu. Als die Türe geöffnet ward, standen die
beiden Männer, Octave und August, einander gegenüber und machten
unter höflichen Grüßen einander Platz. Endlich willigte Berta ein,
zuerst hinauszugehen, nicht ohne vorher Frau Mouret einen kurzen
Gruß zuzunicken. Valerie, die mit Theophil wegging, betrachtete
Octave mit der wohlwollenden Miene einer uneigennützigen Freundin.
Sie und er wären allein in der Lage gewesen, sich alles zu
sagen.
    Auf Wiedersehen, nicht wahr? wiederholte Frau Duverdy den beiden
Ehepaaren freundlich.
    Auf dem Treppenabsatz stand Octave betroffen still. Er sah den
geschniegelten blonden Herrn, den Teilhaber im Zwischengeschoß und
wie Saturnin, von Frau Pichon kommend, ihm die Hand drückte und
dabei blökte: »Freund … Freund … « Eine seltsame Regung
von Eifersucht quälte ihn zuerst; dann lächelte er. Es war die
Vergangenheit. Er sah im Geiste seine Liebschaften wieder, die
ganze Zeit, die er in Paris durchgemacht: die Willfährigkeit der
guten, kleinen Pichon, seinen Mißerfolg bei Valerie, der er eine
angenehme Erinnerung bewahrte, sein törichtes
Verhältnis mit Berta, das er als verlorene
Zeit bedauerte. Heute war er am Ziele; Paris war erobert, und er
folgte galant der Frau, die er im Innern noch immer Frau Hédouin
nannte; er bückte sich, um ihre Schleppe so zu richten, daß sie
nicht an den Eisenringen der Treppenstufen hängen bleibe.
    Das Haus hatte wieder sein spießbürgerlich würdiges Aussehen. Er
glaubte die in der Ferne verhallende Romanze Maries zu hören. Unter
der Toreinfahrt begegnete er Julius, der erzählte, daß Frau
Vuillaume sehr krank sei und sich
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