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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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hatten, fügte er hinzu:
    Ja, es ist der ehemalige Kammerdiener des Herzogs von
Vaugelade.
    Ah, sagte Octave einfach.
    Jawohl, und er hat die Witwe eines kleinen Aufsehers von
Mort-la-Ville geheiratet. Sie besitzen dort auch ein Haus; doch
warten sie, bis sie 3000 Franken Rente erworben haben, dann werden
sie sich dorthin zurückziehen … Sehr anständige
Hausmeistersleute!
    Stiegenhaus und Treppe waren von einem auffälligen Luxus. Am
Treppenabsatze stand eine weibliche Figur, eine Art vergoldeter
Neapolitanerin, die auf dem Kopfe einen Krug trug, aus dem drei mit
mattgeschliffenen Gläsern versehene Gaslampenarme sich abhoben. Die
rund aufsteigende Treppenwand war mit unechtem Marmor verkleidet
und bis hinauf in regelmäßige Felder eingeteilt, weiß mit rosa
Einfassung. Das aus Gußeisen hergestellte, mit Mahagoniholz belegte
Treppengeländer glich altem Silber, geziert mit Knospen aus
Goldblättern. Die Stufen waren mit einem durch Kupferringe
festgehaltenen, roten Teppich belegt. Was Octave beim Eintritt in
den Vorraum am meisten überraschte, war eine Treibhauswärme, ein
lauer Hauch, der ihn anwehte.
    Ist denn die Treppe geheizt?
    Freilich, erwiderte Campardon. Heutzutage muß jeder
Hausbesitzer, der auf seinen Namen etwas hält, sich zu solcher
Ausgabe verstehen. Dieses Haus ist vornehm, sehr vornehm.
    Er blickte rund umher, um gleichsam mit den Augen eines
Baumeisters die Mauern zu prüfen.
    Sie werden sehen, mein Lieber; durchaus vornehm … Auch die
Bewohner sind durchwegs vornehme Leute …
    Während sie langsam hinaufstiegen, zählte er ihm die Bewohner
des Hauses auf. In jedem Stockwerke waren zwei Wohnungen; die eine
ging auf die Straße, die andere auf den Hof; die lackierten Türen
von Mahagoniholz lagen einander gegenüber.
Zunächst gab er flüchtige Aufschlüsse über Herrn Louis Vabre. Es
war der ältere Sohn des Hauseigentümers; er hatte im Frühjahr das
Seidenwarengeschäft im Erdgeschoß eröffnet und nahm auch das ganze
Zwischengeschoß ein. Im ersten Stockwerk bewohnte Herr Theophile
Vabre, der andere Sohn des Hauseigentümers, mit seiner Gemahlin die
Hofwohnung; die Vorderwohnung hatte der Hausbesitzer selbst inne,
ein vormaliger Notar von Versailles, der übrigens bei seinem
Schwiegersohn wohnte, Herrn Duverdy, Rat am Berufungshofe.
    Jawohl, Berufungsgerichtsrat und noch nicht über 45 Jahre! sagte
Campardon. Das ist hübsch, wie?
    Er stieg zwei Stufen empor, dann wandte er sich plötzlich um und
sagte:
    Wasserleitung und Gasbeleuchtung ist in allen Stockwerken.
    Auf jedem Treppenabsatz stand unter dem hohen Fenster, durch
dessen matte Scheibe ein gedämpftes Licht eindrang, ein schmales
Bänkchen von rotem Samt. Der Architekt erteilte die Aufklärung, daß
betagte Leute, welche die Treppe emporsteigen, hier ausruhen
könnten.
    Als er über das zweite Stockwerk gehen wollte, ohne seine
Bewohner zu nennen, fragte Octave, nach der Tür der großen Wohnung
zeigend:
    Und da?
    Ach, da? Leute, die man nie sieht, die niemand kennt … Die
übrigen Mieter würden gern auf diese Nachbarschaft
verzichten … Mein Gott! Flecke sind überall zu
finden …
    Dann fügte er in verächtlichem Tone hinzu:
    Der Herr macht Bücher, glaube ich.
    Im dritten Stockwerk lächelte er wieder zufrieden. Die
Hofwohnung war in zwei Teile abgesondert. Da wohnte Madame Juzeur,
eine recht unglückliche kleine Frau, und daneben ein sehr vornehmer Herr, dessen Name nicht
bekannt ist. Er hat ein Zimmer inne, wohin er nur einmal in der
Woche Geschäfte halber kommt. Während dieser Aufklärungen hatte
Campardon die Tür der andern Wohnung geöffnet.
    Hier sind wir bei mir, sagte er. Warten Sie, bis ich Ihren
Schlüssel hole. Wir wollen zuerst in Ihr Zimmer hinaufgehen,
nachher will ich Sie mit meiner Frau bekannt machen.
    Während der zwei Minuten, die er allein blieb, stand Octave
unter dem Eindrucke der tiefen Stille, die auf der Treppe
herrschte. Er neigte sich über das Geländer, angeweht von der
Wärme, die von unten aufstieg; dann blickte er empor und horchte,
ob keinerlei Geräusch von oben zu vernehmen sei. Es herrschte die
tiefe Stille eines bürgerlichen Salons, der sorgfältig verschlossen
ist, und wohin von außen kein Hauch zu dringen vermag. Es war, als
ob hinter den schön lackierten Mahagonitüren unermeßliche Tiefen
von Ehrenhaftigkeit lägen.
    Sie werden vortreffliche Nachbarn haben, sagte Campardon, der
jetzt mit dem Schlüssel kam. In der Vorderwohnung logiert die
Familie Josserand; der Vater
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