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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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einer Gemse die Treppen hinanlief, störte sie in ihrem
Gespräch. Octave erkannte höchlich überrascht Saturnin. Er war es
in der Tat. Man hatte ihn vor einer Woche aus der Anstalt zu
Sankt-Evrard entlassen, wo man ihn nicht weiter behalten wollte,
weil die Ärzte seinen Wahnsinn noch immer nicht für entwickelt
genug hielten. Ohne Zweifel brachte er den Abend bei Marie Pichon
zu, wie ehemals an den Empfangstagen seiner Eltern.
    Durch diesen Gedanken wurden mit einem Schlage die Erinnerungen
an längstverflossene Zeiten wachgerufen. Octave hörte von oben eine
verklingende Stimme, die Romanze, mit der Marie die Langeweile
ihrer einsamen Stunden verscheuchte; er sah sie wieder in ihrer
ewigen Einsamkeit neben der Wiege, in der Lilitte schlief, der
Rückkehr ihres Mannes harrend, mit der Liebenswürdigkeit einer
nutzlosen, aber sanften Frau.
    Ich wünsche Ihnen alles Glück zu Ihrem ehelichen Leben, begann
wieder Frau Juzeur, ihm zärtlich die Hände drückend.
    Um nicht mit ihr zugleich in den Salon treten zu müssen,
verzögerte er seinen Eintritt, indem er langsam seinen Überzieher
auszog; da kam plötzlich Trublot im Frack, barhaupt, mit bestürzter
Miene, vom Küchengange her.
    Sie wissen, sie befindet sich noch immer sehr unwohl, seufzte
er, während Hyppolite Frau Juzeur in den Salon führte.
    Wer denn? frug Octave.
    Wer sonst als Adele, die Dienstmagd von oben.
    Als er ihr Unwohlsein erfahren, war er nach Tisch in väterlicher
Sorgfalt zu ihr hinaufgegangen, um zu sehen, wie es ihr gehe. Es
müsse ein heftiger Durchfall sein, erklärte er weiter; die Ärmste
bedürfe eines guten Glühweins, und es fehle ihr dazu selbst der
Zucker. Als er seinen Freund mit gleichgültiger Miene lächeln sah,
fuhr er fort:
    Ja so, freilich, Sie sind verheiratet, Sie Spötter, das
interessiert Sie also nicht mehr.
    Sie traten zusammen in den Salon ein. Die Damen plauderten eben
über ihre Dienstboten und erhitzten sich dermaßen, daß sie die
beiden nicht eintreten sahen. Sie alle stimmten beifällig den
Worten der Frau Duverdy zu, die verlegen erklärte, weshalb sie
Clémence und Hyppolite behalte: er sei wohl roh, aber sie sei so
geschickt, daß man gern ein Auge über den Rest zudrücke. Valerie
und Berta konnten kein passendes Mädchen finden und hatten schon
aller Hoffnung entsagt; da gab's keine Stellenvermittlung mehr,
dessen verderbtes Personal nicht durch ihre Küche gewandert war.
Dann kam die Reihe an Frau Josserand, die heftig über Adele
herfiel, deren neueste Unverschämtheit und Schmutzigkeit sie
erzählte, die sie aber trotz alledem behielt. Die andere Frau
Campardon überhäufte Lisa mit Lobsprüchen; sie sei eine wahre Perle
ohne Fehl und Makel – mit einem Wort: eine jener verdienstvollen
Mägde, die preisgekrönt zu werden verdienen.
    Sie gehört schon ganz zur Familie, fuhr sie fort. Unsere kleine
Angela besucht einen Lehrkurs im Rathause, und wir lassen sie immer
von Lisa begleiten. Sie könnten auch mehrere Tage miteinander
ausbleiben, ohne daß wir beunruhigt wären.
    In diesem Augenblick wurden die Damen Octave gewahr. Er schritt auf Clotilde zu, um sie zu
begrüßen. Berta blickte ihn an und fuhr dann ohne Verlegenheit
fort, mit Valerie zu plaudern, die mit ihm einen zärtlichen Blick
selbstloser Freundschaft austauschte. Die übrigen, Frau Josserand,
Frau Dambreville, betrachteten ihn, ohne es sonderlich merken zu
lassen, mit teilnahmvollem Interesse.
    Endlich sind Sie da! rief in liebenswürdigem Tone Clotilde. Ich
war schon besorgt, daß unser Chor nicht vollständig sein werde.
    Als Frau Mouret ihren Gatten sanft auszankte, weil er auf sich
warten lasse, entschuldigte er sich mit den Worten:
    Aber, liebe Frau, es war mir unmöglich … Es schmerzt mich
unendlich, Gnädigste. Übrigens bin ich jetzt da und stelle mich
Ihnen zur Verfügung.
    Unterdessen blickten die Damen mit Besorgnis nach der
Fensternische, in die August sich zurückgezogen hatte. Es befiel
sie einen Augenblick ein Gefühl der Furcht, als sie bei dem Klange
von Octaves Stimme ihn sich umdrehen sahen. Seine Kopfschmerzen
hatten sich ohne Zweifel verschlimmert, seine Augen waren trübe
geworden, als hätten sie alle Finsternis der Gasse in sich gesogen.
Er setzte sich wieder hinter seine Schwester und sprach zu ihr:
    Schicke sie fort, oder wir gehen.
    Clotilde zuckte wieder die Achseln. August schien ihr einige
Minuten zur Überlegung gönnen zu wollen; er werde noch einige
Augenblicke warten, dachte er bei sich, umso mehr als
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