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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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weigere, ihre Tochter zu sehen.
Das war alles. Der Doktor und der Abbé gingen als letzte fort,
wobei sie ihre Auseinandersetzungen fortsetzten, Trublot hatte sich
zu Adelen geschlichen, um diese zu pflegen. Die stille Treppe mit
ihren züchtigen Türen lag wie in einem warmen Schlafe da. Es schlug
ein Uhr, als Herr Gourd, den seine Gattin behaglich im Bett
erwartete, das Gas auslöschte. Das Haus verfiel in die
Feierlichkeit des Dunkels, gleichsam untergegangen in der
Keuschheit seines Schlafes.
    Nachdem am folgenden Morgen Trublot sich entfernt hatte, der die
ganze Nacht mit väterlicher Sorgfalt bei Adele gewacht, schleppte
sich diese in die Küche hinab, um jeden Argwohn von sich
abzulenken. Da in der Nacht Tauwetter eingetreten war, öffnete sie
das Fenster, um frische Luft einzulassen. Da drang aus der Tiefe
des engen Hofes Hyppolites wütende Stimme an ihr Ohr.
    So ein Schweinevolk! Wer hat denn wieder Wasser ausgeschüttet?
Das Kleid der Frau ist verloren!
    Er hatte das Kleid seiner Herrin hinausgehängt, um es zu lüften
und später auszubürsten, und fand es mit irgendeiner Flüssigkeit
vollgeschüttet. Da erschienen in sämtlichen Stockwerken die Mägde,
in heftigen Worten die Beschuldigung von sich zu weisen. Der Streit
war entfesselt, eine Flut von scheußlichen
Schimpfreden stieg aus der Kloake auf. Wenn Tauwetter war, troff
das Wasser von den Mauern; ein pestilenzialischer Gestank drang aus
dem kleinen finstern Hofe herauf, die verfaulten Abfälle sämtlicher
Stockwerke schienen zusammenzuströmen und ihren Mißduft aus diesem
Ausguß des Hauses heraufzusenden.
    Ich bin es nicht, sagte Adele sich herausneigend, ich komme eben
erst herunter.
    Lisa schaute überrascht hinauf.
    Wie, Sie sind auf den Pfoten? rief sie hinauf. Nun, was ist's?
Sie wären beinahe abgefahren?
    Ach ja, ich habe eine greuliche Kolik gehabt!
    Dies unterbrach den Streit. Die neuen Mägde von Valerie und
Berta, ein großes Kamel und ein kleines Pferd, wie sie genannt
wurden, betrachteten neugierig das bleiche Gesicht Adelens. Auch
Victoire und Julie verrenkten sich schier die Hälse, um sie zu
sehen. Alle hatten etwas vermutet; denn es sei widernatürlich, sich
so zu winden und dabei so zu heulen.
    Sie haben vielleicht Muscheln gegessen? fragte Lisa.
    Ein Gelächter brach los, neue Schimpfreden stiegen auf, während
die Unglückliche erschrocken stammelte:
    Laßt mich in Ruhe, ich bin krank genug! Wollt ihr mich
umbringen?
    Nein, das wollten sie nicht. Sie war dumm wie ein Klotz und
schmutzig wie eine Pfarrersköchin; allein die Mägde hielten doch
zusammen und taten einander kein Leides. Man kam jetzt natürlich
auf die Herrenleute zu sprechen; die gestrige Abendgesellschaft
fand eine scharfe Verurteilung.
    Sie haben sich alle wieder zusammengefunden? fragte Victoire,
die an einem Gläschen Schnaps nippte.
    Hyppolite, der damit beschäftigt war, das
Kleid seiner Herrin zu reinigen, erwiderte:
    Diese Leute haben so wenig ein Herz im Leibe wie meine Stiefel.
Wenn sie einander ins Gesicht gespien haben, waschen sie sich damit
ab und halten sich dann für sauber.
    Sie müssen sich ja verständigen, bemerkte Lisa; sonst kämen ja
wir bald daran.
    Jetzt entstand ein Aufruhr. Eine Türe ward geöffnet; schon
hatten sich die Mägde in die Küchen zurückgezogen, als Lisa
erklärte, es sei Angela; das Kind sei nicht gefährlich, denn es
verstehe alles. Die schadenfrohen, rachsüchtigen Reden der Mägde
wurden fortgesetzt; die ganze schmutzige Wäsche der letzten zwei
Jahre ward hervorgeholt. Der Schluß war, daß sie sich ordentlich
wohl fühlten, keine Bürgersleute zu sein, die mit den Nasen im
Unflat gar so behaglich lebten.
    He, sag' einmal! schrie Victoire plötzlich hinauf, hast du etwa
mit dem schiefmäuligen Hausherrn die Muscheln gegessen?
    Ein wütendes Gewieher erschütterte den Lichthof. Hyppolite
zerriß dabei das Kleid seiner Herrin; doch mache er sich nichts
daraus, erklärte er; es sei noch zu gut für sie. Das große Kamel
und das kleine Pferd platzten fast vor Lachen. Adele aber, die sich
kaum auf den Beinen zu halten vermochte, rief mit bebender Stimme
in das Getöse hinein:
    Ihr seid herzlose Tiere! Wenn ihr krepiert, will ich vor euren
Leichen hertanzen!
    Ach, Fräulein! sagte Lisa, die sich hinausneigte und an Julie
das Wort richtete, wie glücklich sind Sie doch, schon in acht Tagen
diese Baracke verlassen zu dürfen! … Man wird hier gegen
seinen Willen unanständig! Ich wünsche Ihnen ein besseres Haus!
    Julie
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