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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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selbst den Hauch der Straße von ihr fernhalten. Während
dieser Zeit zwickte Angela die Lisa jedesmal, wenn sie sich neben
ihren Stuhl bückte, um einen Teller zu wechseln, mit
solcher Vertraulichkeit in die Schenkel,
ohne daß die eine oder die andere ihren Ernst verlor oder auch nur
mit einer Wimper zuckte.
    Man muß tugendhaft sein für sich selbst, sagte gedehnt der
Architekt ohne scheinbaren Übergang. Ich kümmere mich nicht um die
öffentliche Meinung, ich bin ein Künstler.
    Nach Tisch blieb man bis Mitternacht im Salon. Es war eine
ungewöhnliche Schwelgerei, um die Ankunft Octaves zu feiern. Frau
Campardon schien sehr müde; nach und nach überließ sie sich, auf
einem Sofa zurückgelehnt, ihrer Mattigkeit.
    Leidest du, mein Kätzchen? fragte ihr Gatte.
    Nein, sagte sie mit matter Stimme. Es ist immer das
nämliche.
    Sie sah ihn an, dann fragte sie halblaut:
    Hast du sie bei den Hédouins gesehen?
    Ja … Sie hat nach dir gefragt.
    Tränen stiegen in Rosas Augen.
    Sie befindet sich wohl, nicht wahr?
    Gemach, gemach! sagte der Architekt, indem er sie wiederholt auf
die Haare küßte, vergessend, daß sie nicht allein seien. Du regst
dich wieder auf … Weißt du denn nicht, daß ich dich liebe,
mein armes Mädel!
    Octave, der bescheiden ans Fenster gegangen war, wie um auf die
Gasse zu sehen, kam, weil seine Neugierde wieder erweckt war,
zurück, um das Gesicht der Frau Campardon zu beobachten, und fragte
sich, ob sie wisse.
    Aber sie hatte ihr freundliches und leidendes Aussehen wieder
angenommen.
    Endlich wünschte Octave ihnen eine gute Nacht. Er befand sich
noch mit seiner Nachtkerze in der Hand auf dem Gang, als er das
Rauschen von Seidenkleidern hörte, welche die Treppen fegten. Aus
Höflichkeit drückte er sich in einen Winkel. Es waren augenscheinlich die Damen vom vierten
Stock: Frau Josserand und ihre beiden Töchter, die von einer
Unterhaltung zurückkehrten. Als sie vorbeikamen, schaute die
Mutter, eine beleibte, gewichtige Frau, ihn an, während das ältere
Fräulein sich mit einer trockenen Miene abwandte, das jüngere
hingegen ihn ungeniert im Lichte der Kerze anlachte. Sie war
reizend, ein anziehendes Gesichtchen, klare Farbe, dunkle Haare,
von einem blonden Widerschein vergoldet; sie hatte die kühne Anmut,
den freien Gang einer jungen Frau, die von einem Ball zurückkehrt,
in einer verwickelten Toilette mit Schleifen und Spitzen, wie junge
Mädchen sie sonst nicht tragen. Die Schleppen verschwanden längs
der Rampe, und eine Türe schloß sich. Der Ausdruck des Frohsinns in
den Augen dieses Mädchens hatte Octave sehr heiter gestimmt.
    Langsam ging auch er hinauf. Eine einzige Gasflamme brannte, die
Treppe lag in der schwülen Hitze still da. Sie schien ihm jetzt
keuscher mit ihren züchtigen Türen, diesen reichen Mahagonitüren,
die sich vor ehrbaren Schlafzimmern schlossen. Kein Seufzer drang
hindurch; es war das Schweigen wohlerzogener Leute, die ihren Atem
anhalten. Doch ließ sich jetzt ein leises Geräusch vernehmen; er
beugte sich hinab und bemerkte Herrn Gourd in Pantoffeln und
Schlafmütze, wie er die letzte Gasflamme auslöschte. Dann versank
alles; das Haus verfiel in die Feierlichkeit der Finsternis,
gleichsam völlig aufgehend in der Vornehmheit und der Züchtigkeit
seines Schlafes.
    Octave konnte schwer einschlafen. Er warf sich fieberhaft umher,
das Gehirn erfüllt mit den neuen Gestalten, die er gesehen hatte.
Warum zeigten sich die Campardon so freundlich? Träumten sie
vielleicht davon, ihm später ihre Tochter anzuhängen? Und diese
arme Frau, – welche drollige Krankheit mochte sie haben? Vielleicht
nahm ihn der Gatte ins Haus, um seine Frau
zu beschäftigen und zu erheitern. Dann verwirrten sich seine
Gedanken noch mehr, er sah Schatten vorüberziehen! Die kleine Frau
Pichon, seine Nachbarin, mit ihren klaren, leeren Blicken; die
schöne Frau Hédouin, ernst und tadellos in ihrem schwarzen Kleide;
und die feurigen Augen der Frau Valérie; und das freudige Lachen
des Fräulein Josserand. Wieviele waren in wenigen Stunden auf dem
Pariser Pflaster aufgeschossen! Immer war sein Traum: daß Damen ihn
bei der Hand nehmen würden, um ihn in seinen Unternehmungen
vorwärts zu bringen. Aber diese kamen immer wieder und mischten
sich mit einer ermüdenden Hartnäckigkeit ein. Er wußte nicht,
welche er wählen solle; er bemühte sich, seine zärtliche Stimme,
seine schmeichelnden Gebärden beizubehalten. Dann aber gab er
ungeduldig und erbittert seiner Schroffheit,
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