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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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schrieb; er machte diese Arbeit im
Auftrage eines großen Verlegers, der mehrere Zeitschriften
herausgab. Da seine Bezüge als Kassierer nicht ausreichten, um den
Haushalt zu bestreiten, verbrachte er ganze Nächte mit dieser
undankbaren Arbeit, im geheimen und von der Furcht getrieben, daß
man die Verlegenheiten seines Hausstandes merken könne.
    Drei Franken sind drei Franken, sagte er langsam. Diese drei
Franken bieten euch die Mittel, Bänder für eure Roben zu kaufen und euren Gästen, die ihr jeden Dienstag
empfangt, Kuchen vorzusetzen.
    Er bedauerte sogleich, was er gesagt, denn er fühlte, daß er
damit seine Frau im Innersten ihres Herzens getroffen, in ihrem
Stolze verletzt habe. Ein Blutstrom rötete ihre Schultern; sie
schien auf dem Punkte, in eine Flut von bitteren Reden
auszubrechen; doch in einer Regung der Würde bemeisterte sie sich
und begnügte sich zu stammeln:
    Ach, mein Gott, mein Gott! …
    Sie blickte auf ihre Töchter und zermalmte ihren Gatten durch
ein Zucken ihrer furchtbaren Schultern, als wolle sie sagen: »Hört
ihr ihn, den Kretin?« Die Mädchen nickten stumm. Als er sich
geschlagen sah, legte Herr Josserand zögernd die Feder weg und
faltete den »Temps« auseinander, welches Blatt er jeden Abend aus
dem Büro brachte.
    Saturnin schläft? fragte Frau Josserand trocken. Saturnin war
ihr jüngerer Sohn.
    Er schläft schon lange, sagte der Vater. Ich habe auch Adele
fortgeschickt … Und Leo? Habt ihr ihn nicht im Hause der
Dambreville gesehen?
    Er schläft ja dort! ließ sie sich wütend vernehmen.
    Überrascht fragte der Vater:
    Du glaubst?
    Hortense und Berta waren wieder taub geworden. Sie lächelten
indessen still vor sich hin und taten, als ob sie damit beschäftigt
seien, ihre Schuhe auszuziehen, die in einem erbärmlichen Zustande
waren. Um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, suchte Frau
Josserand einen anderen Streit mit ihrem Gatten. Sie ersuchte ihn,
seine Zeitung jeden Morgen wieder mitzunehmen und sie tagsüber
nicht herumliegen zu lassen wie eben gestern wieder eine Nummer, in
der von einem abscheulichen Prozeß zu lesen war, den seine Töchter hätten lesen können. Darin
zeige sich, wie wenig moralischen Sinn er habe.
    Geht man denn zu Bett? fragte Hortense. Ich bin hungrig.
    O, und erst ich! sagte Berta. Ich sterbe vor Hunger.
    Was, ihr habt Hunger? schrie die Mutter entrüstet. Habt ihr denn
auf der Abendgesellschaft keinen Kuchen gegessen? Ei, sind das
dumme Gänse! Aber, man muß ja essen! Ich habe gegessen.
    Die jungen Mädchen erhoben Einspruch. Sie seien hungrig und
würden krank davon. Das Ende war, daß die Mutter sie in die Küche
begleitete, um zu sehen, ob nichts übrig geblieben sei. Sogleich
machte der Vater sich wieder an seine Adreßschleifen. Er wußte
recht gut, daß ohne diese Adreßschleifen der Luxus des Haushaltes
längst verschwunden wäre; und darum harrte er trotz ihrer
Verachtung und des ungerechten Gezänkes bis zum dämmernden Morgen
bei dieser geheimen Arbeit aus, glücklich wie nur ein
Rechtschaffener es sein kann, wenn er daran dachte, daß ein Endchen
Spitze mehr vielleicht einer seiner Töchter zu einer guten Heirat
verhalf. Da man sich schon von der Nahrung einiges abzwackte, ohne
den Bedürfnissen der Toilette und der Dienstagsempfänge gerecht zu
werden, fügte er sich in diese Märtyrerarbeit, in Lumpen gehüllt,
während seine Frau und Töchter die Salons besuchten und Blumen im
Haar trugen.
    Aber da ist es ja scheußlich schmutzig! schrie Frau Josserand,
in die Küche eintretend. Ich kann es bei diesem Schmutzfinken Adele
nicht durchsetzen, daß sie das Fenster halb offen läßt. Sie
behauptet, daß es dann am Morgen in der Küche so kalt sei wie in
einer Eisgrube.
    Sie öffnete das Fenster. Da stieg aus dem engen Lichthofe eine
eisige Feuchtigkeit, ein muffiger Kellergeruch herauf. In dem
Lichtschein, den die von Berta angezündete Kerze auf die Wand warf, sah man die riesigen Schatten
der nackten Schultern der Mutter tanzen.
    Und welche Schlamperei hier herrscht, fuhr Frau Josserand fort,
ihre Nase in alle Winkel, selbst an die schmutzigsten Orte
steckend. Den Küchentisch hat sie seit zwei Wochen nicht
gescheuert … Da sind Teller von vorgestern .. Wahrhaftig, das
ist ekelhaft! … Und ihr Ausguß! Riecht einmal in ihren
Ausguß!
    Sie geriet immer mehr in Zorn und stieß das Eßgeschirr mit ihren
reichlich gepuderten, mit Goldreifen geschmückten Armen hin und
her; schleppte ihr feuerrotes Kleid durch alle
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