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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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Flecke, blieb an den
umherliegenden Küchengeräten hängen und gab so den mühsam
zusammengestoppelten Luxus in dieser schmutzigen Umgebung preis.
Beim Anblick eines schartigen Messers brach endlich ihr Zorn
los.
    Morgen früh werfe ich sie hinaus!
    Da wirst du weit kommen, bemerkte Hortense ruhig. Wir können
keine Magd behalten. Sie ist die erste, die drei Monate geblieben
ist … Wenn sie ein wenig reinlich sind und einmal eine weiße
Soße zu machen verstehen, suchen sie das Weite.
    Frau Josserand spitzte die Lippen. In der Tat hatte Adele
allein, eben aus der Bretagne angekommen, blöd und unsauber in dem
von stolzem Elend starrenden Haushalte dieser Spießbürgerleute
ausgehalten, die ihre Unverwendbarkeit und Unflätigkeit
mißbrauchten, sie hungern zu lassen. Schon zwanzigmal hatten sie –
aus Anlaß eines Kammes, der auf dem Brot gefunden oder wegen eines
abscheulichen Essens, das ihnen eine Kolik verursachte – davon
gesprochen, sie davonjagen zu wollen; dann behielten sie die Magd
doch immer wieder, weil sie verlegen waren, durch wen sie sie
ersetzen sollten; denn selbst die Diebinnen weigerten sich, zu
ihnen in den Dienst zu gehen, in diesen
Käfig, wo selbst die Zuckerstückchen abgezählt wurden.
    Ich finde nichts! sagte Bertha, in einem Küchenschrank
suchend.
    Dieser Schrank zeigte die trübselige Leere und den falschen
Luxus der Familien, wo man die schlechteste Sorte Fleisch kauft, um
Blumen auf den Tisch stellen zu können. Man sah nichts als einige
Porzellanteller mit Goldleisten völlig leer, ein Brotmesser mit
abgegriffenem Heft, kleine Fläschchen, in denen Essig und Öl längst
versiegt waren, und nicht eine vergessene Brotkrume, kein Stück
Obst, kein Restchen Käse – nichts. Man sah wohl, daß der nie
gesättigte Hunger Adeles hier gründlich aufgeräumt hatte.
    Hat sie denn das ganze Kaninchen aufgegessen? rief Frau
Josserand.
    Richtig! sagte Hortense, es ist ein Schwanzstück davon übrig
geblieben … Ach, da ist es. Es hätte mich auch gewundert, daß
sie es wagen sollte … Ich nehme es. Es ist wohl kalt, aber das
schadet nichts.
    Nun suchte Berta etwas zu essen, aber vergebens. Endlich
entdeckte sie eine Flasche, in der ihre Mutter einen alten Rest
eingekochter Frucht aufgelöst hatte, um Himbeersaft für ihre
Abendgesellschaften herzustellen. Berta nahm ein halbes Glas voll
davon und sagte:
    Ein Gedanke! Da will ich mein Brot eintunken … Wenn nichts
anderes da ist! …
    Doch Frau Josserand schaute sie streng an.
    Geniere dich nicht! Nimm lieber gleich das ganze Glas voll, wenn
du schon dabei bist Ich werde dann unseren Gästen frisches Wasser
vorsetzen …
    Glücklicherweise ward eine neue Missetat Adeles entdeckt,
wodurch die Strafpredigt unterbrochen wurde. Als sich Frau
Josserand in der Küche immerfort hin und her drehte, um ein neues Verbrechen der Magd zu entdecken,
erblickte sie auf dem Küchentisch ein Buch. Das schlug dem Faß den
Boden aus.
    Ei, das schmutzige Tier! Sie hat schon wieder meinen Lamartine
in die Küche herausgebracht!
    Sie nahm das Buch und begann es abzureiben und abzuwischen,
wobei sie immerfort wiederholte, sie habe der Magd schon zwanzigmal
verboten, das Buch herumzuschleppen, um ihre Rechnungen darauf zu
schreiben, Berta und Hortense hatten inzwischen das Stückchen Brot
geteilt, das übriggeblieben war; dann nahmen sie ihr mageres Essen
mit und sagten, sie wollten sich erst auskleiden, bevor sie äßen.
Die Mutter warf einen letzten Blick auf den kalten Herd und kehrte
in den Speisesaal zurück, den »Lamartine« fest unter ihren dicken
Arm pressend.
    Herr Josserand fuhr fort zu schreiben. Er hatte gehofft, daß
seine Frau sich begnügen werde, durch das Zimmer gehend, um sich
schlafen zu legen, ihm einen Blick tiefer Verachtung zuteil werden
zu lassen. Allein sie ließ sich ihm gegenüber von neuem auf einen
Sessel nieder und sah ihn starr an, ohne ein Wort zu sprechen. Er
fühlte die Wucht ihres Blickes und ward von einer solchen
Beklemmung ergriffen, daß seine Feder auf dem dünnen Papier der
Adreßschleifen unruhig tanzte.
    Du also hast Adele verhindert, eine Creme für morgen abend zu
machen? sagte sie endlich.
    Er blickte betroffen auf.
    Ich, meine Liebe?
    Jawohl, du wirst wieder leugnen wie gewöhnlich. Weshalb sonst
hätte sie die Creme nicht bereitet, die ich befohlen habe? …
Du weißt wohl, daß wir morgen vor der Abendgesellschaft den Onkel
Bachelard zum Essen zu Gaste haben, dessen Geburtstag diesmal sehr
ungelegen
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