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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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hell
erleuchteten Auslagefenster der frisch dekorierten, in ein Meer von
Gaslicht getauchten Kaufläden warfen Lichtscheine von viereckiger
Form auf das schwarze, schmutzige Pflaster; dann gab es wieder
finstere Stellen auf der Straße; diese rührten von alten Läden mit
unbeleuchteten Auslagen her, wo nur im Innern des Geschäftsladens
einige rauchende Lampen brannten, die sich von außen wie ferne
Sterne ausnahmen. In der Neuen Augustinstraße, kurz bevor sie in
die Choiseul-Straße einbogen, grüßte der Architekt vor einem Laden
dieser Art.
    Eine junge Frau, schmächtig und elegant, in ein Seidenmäntelchen
gehüllt, stand auf der Schwelle und zog einen dreijährigen Knaben
an sich aus Furcht, daß er unter die Räder geraten könne. Sie
plauderte mit einer älteren Dame – ohne Zweifel der Inhaberin des
Geschäftes – die sie duzte. In dem dunklen Rahmen der Ladentür
konnte Octave bei dem tanzenden Widerschein der benachbarten
Gasflammen die Züge der jungen Frau nicht unterscheiden; sie schien
hübsch zu sein; er sah nur zwei leuchtende Augen, die im Dunkel
einen Augenblick wie zwei Flammen auf ihn gerichtet waren. Hinter
ihr lag der Geschäftsladen feucht und dunkel wie ein Keller; und aus dem Laden drang ein
unbestimmter Geruch von Salpeter.
    Das ist Frau Valerie, Gemahlin des Herrn Theophil Vabre, jüngern
Sohnes des Hauseigentümers, – Sie erinnern sich ja: die Leute vom
ersten Stock. Eine reizende Dame! sagte Campardon, als sie einige
Schritte weitergegangen waren. Sie ist in diesem Laden
aufgewachsen, einem der bestbesuchten Geschäfte des Stadtviertels,
das ihre Eltern, Herr und Frau Louhette, noch immer führen, um eine
Beschäftigung zu haben. Sie haben ein Vermögen dabei gewonnen, kann
ich Ihnen sagen.
    Doch Octave hatte kein Verständnis für diese Art des Handels in
diesen Löchern des alten Paris, wo ein Restchen alten Stoffes als
Firma genügte. Er erklärte, daß er um keinen Preis der Welt in
einem solchen Kellergewölbe leben wolle. Da müsse man saubere
Krankheiten davontragen …
    Unter solchen Gesprächen stiegen sie die Treppe empor. Sie
wurden schon erwartet. Frau Campardon hatte ein graues Seidenkleid
angelegt, sich kokett frisiert und überhaupt sehr sorgfältig
herausgeputzt. Campardon küßte sie mit der Innigkeit eines
zärtlichen Gatten auf den Hals.
    Guten Abend, mein Kätzchen! … Guten Abend,
Mädelchen! …
    Man begab sich in das Speisezimmer.
    Das Essen verlief sehr angenehm. Frau Campardon sprach zuerst
von der Familie Deleuze und Hédouin, einer von dem ganzen
Stadtviertel geachteten Familie, deren Mitglieder sehr bekannt
waren; ein Vetter sei Papierhändler in der Gaillon-Straße, ein
Oheim Regenschirmhändler in der Choiseul-Passage, Neffen und
Nichten, die sämtlich in der Umgebung sich niedergelassen hätten.
Alsdann nahm das Gespräch eine andere Wendung; man beschäftigte
sich mit Angela, die steif auf ihrem Stuhle
saß und mit eckigen Bewegungen aß. Ihre Mutter erzog sie zu Hause,
es war sicherer; ohne mehr darüber sagen zu wollen, blinzelte sie
mit den Augen, um zu verstehen zu geben, daß die Fräulein in den
Erziehungsanstalten schlimme Sachen lernen. Das junge Mädchen hatte
inzwischen heimlich den Teller auf dem Messer ins Gleichgewicht
gestellt. Lisa, die bediente, hätte ihn beinahe zerbrochen, und
rief:
    Es ist Ihre Schuld, Fräulein!
    Ein unbändiges Gelächter, mühsam zurückgehalten, zog über das
Gesicht Angelas. Frau Campardon begnügte sich, den Kopf zu
schütteln; als Lisa hinausgegangen war, um den Nachtisch zu
bringen, spendete sie der Zofe großes Lob: sehr geschickt, sehr
tätig, ein echtes Pariser Mädchen, das sich immer zurechtzufinden
wisse. Die Köchin Viktoria hingegen könne man schon missen, da sie
bei ihrem vorgerückten Alter nicht mehr ganz sauber sei; doch habe
sie den Herrn zur Welt kommen sehen, sie sei ein Familienrest, den
sie respektierten. Als die Kammerfrau wieder mit gebratenen Äpfeln
hereinkam, flüsterte Frau Campardon dem jungen Mann ins Ohr:
    Tadelloses Betragen! Ich habe noch nichts entdeckt … Ein
Ausgangstag im Monat, um ihre alte Tante, die sehr weit wohnt, zu
besuchen.
    Octave betrachtete Lisa. Als er sie sah, nervös, mit platter
Brust, erloschenen Augen, kam ihm der Gedanke, daß sie bei ihrer
alten Tante saubere Dinge treiben müsse. Übrigens billigte er die
Ansichten der Mutter, die ihm ihre Gedanken mitteilte: ein junges
Mädchen lege der Mutter eine so schwere Verantwortlichkeit auf, man
müsse
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