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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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zu lenken. Er war sehr neugierig über
den Ausgang eines seinerzeit unaufgeklärt gebliebenen Abenteuers.
Der Architekt hatte eine Leidenschaft für Gasparine, ein schönes,
armes Mädchen gefaßt; dann heiratete er plötzlich die magere Rosa,
die eine Mitgift von 30 000 Franken hatte; es gab eine
tränenreiche Szene, ein Aufsehen erregendes Zerwürfnis und endlich
die Flucht der verlassenen Gasparine nach Paris zu einer Tante, die
sich als Näherin erhielt. – Frau Campardon, deren mattrosa Farbe
völlig ruhig blieb, schien nicht zu verstehen. Er konnte von ihr
nichts erfahren.
    Und Ihre Eltern? fragte sie jetzt ihrerseits. Wie befinden sich
Herr und Frau Mouret?
    Vortrefflich, ich danke Ihnen! erwiderte er. Meine Mutter ist
immer in ihrem Garten zu finden. Sie würden das Häuschen in der
Bannstraße ganz so wiederfinden, wie Sie es zuletzt gesehen
haben.
    Frau Campardon, die – wie es schien – nicht
lange stehen konnte, ohne zu ermüden, hatte auf einem hohen
Zeichensessel Platz genommen und die Beine unter dem Schlafrock vor
sich hingestreckt; er rückte einen niederen Sessel näher und befand
sich so gleichsam zu ihren Füßen; er erhob den Kopf, wenn er zu ihr
sprach, mit seiner gewöhnlichen Miene der Verehrung. Trotz seiner
breiten Schultern hatte er das Benehmen einer Frau, einen gewissen
weiblichen Sinn und wußte sich in kürzester Zeit in die Gunst der
Frauen zu setzen. Nach Verlauf von zehn Minuten plauderten die
beiden wie zwei alte Freundinnen.
    Ich bin also Ihr Kostgänger! sagte er, indem er mit seiner
schönen Hand, deren Fingernägel einen durchaus tadellosen Schnitt
zeigten, sich den Bart strich. Wir werden uns gut vertragen, Sie
sollen sehen … Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, sich des
Rangen von Plassans zu erinnern und beim ersten Wort sich mit
seinen Angelegenheiten zu beschäftigen.
    Doch sie wehrte ab.
    Nein, danken Sie mir nicht. Ich bin viel zu träge und rühre mich
kaum mehr von der Stelle. Achilles hat alles geordnet. Es genügte
übrigens die Mitteilung meiner Mutter, daß Sie bei einer Familie
Unterkunft suchen; wir beschlossen sogleich, Ihnen unser Haus zu
öffnen. Sie kommen nicht zu fremden Leuten, und wir gewinnen einen
Gesellschafter.
    Da sprach er von seinen Angelegenheiten. Nach beendeten Studien
hatte er, einem Wunsche seiner Eltern gehorchend, drei Jahre zu
Marseille in einem großen Handlungshause zugebracht, das in der
Nähe von Plassans bedruckten Kattun fabrikmäßig herstellte. Er war
leidenschaftlich für den Handel eingenommen, besonders für den
Handel mit Luxusartikeln für die Damenwelt, wo man durch
einschmeichelnde Worte und Blicke fast unmerklich
Eroberungen macht. Er erzählte ferner unter
strahlendem Lachen, wie er fünftausend Franken verdient habe, ohne
die er – der unter dem Scheine eines liebenswürdigen Brausekopfes
von einer wahrhaft jüdischen Vorsicht war – es niemals gewagt haben
würde, nach Paris zu kommen.
    Denken Sie sich, die Leute hatten eine Sorte Kattun am Lager, in
Pompadour-Manier gehalten, ein veraltetes Muster, wunderschön –
aber es wollte niemand anbeißen. Die Ware lag seit Jahren im
Keller. Als ich mich einmal anschickte, eine Geschäftsreise in die
Var-Gegend und in die niederen Alpen zu machen, hatte ich den
Einfall, den ganzen »Krempel« auf eigene Rechnung zu kaufen. Ich
hatte einen närrischen Erfolg! Die Frauen rissen sich um den
Stoff … Es gibt jetzt dort unten keine Frau, die nicht meinen
Kattun am Leibe hätte … Ich habe sie allerdings sehr fein
»eingefädelt«! Sie waren sämtlich in meiner Tasche, ich hätte mit
ihnen machen können, was ich wollte! …
    Er lachte, während Frau Campardon, entzückt und verwirrt durch
den Gedanken an diesen Pompadour-Kattun, ihn darüber näher
ausfragte. »Kleine Sträußchen auf ungebleichter Leinwand, nicht
wahr?« Sie hatte diesen Stoff überall gesucht, um sich einen
Sommerschlafrock daraus machen zu lassen.
    Ich bin zwei Jahre gereist, das ist genug. Überdies muß ich mir
auch Paris erobern … Ich will mir sofort irgendein Geschäft
suchen.
    Wie? rief sie; hat Ihnen Achilles nicht erzählt? Er hat ja eine
Stelle für Sie! Kaum zwei Schritte von hier!
    Er dankte und tat sehr überrascht. Ihm sei, als lebe er im
Schlaraffenland – sagte er – und er werde vielleicht gar am Abend
eine Frau mit hunderttausend Franken Rente in seinem Zimmer
antreffen.
    In diesem Augenblick trat ein langes, häßliches
Mädchen von 14 Jahren ein mit Haaren von
einem faden
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