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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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zu groß ist, als daß ein einzelner Mensch ihr steuern könnte. Darin hat sich betrüblicherweise nichts geändert in den elfhundert Jahren, seit jemand den Vierzeiler verfaßte:
    Der Gouverneur, befragt, was nötig wäre
    Den Frierenden der Stadt zu helfen, antwortete:
    Eine zehntausend Fuß lange Decke
    Welche die ganzen Vorstädte einfach zudeckt.
    Er macht sich daran, den Laden aufzuräumen.
    DER SCHREINER Ich sehe, daß Sie sich bemühen, die Angelegenheiten Ihrer Kusine zu ordnen. Da ist eine kleine Schuld für die Stellagen zu begleichen, anerkannt vor Zeugen. 100 Silberdollar.
    SHUI TA die Rechnung aus der Tasche ziehend, nicht unfreundlich: Glauben Sie nicht, daß 100 Silberdollar etwas zuviel sind?
    DER SCHREINER Nein. Ich kann auch nichts ablassen. Ich habe Frau und Kinder zu ernähren.
    SHUI TA hart: Wie viele Kinder?
    DER SCHREINER Vier.
    SHUI TA Dann biete ich Ihnen 20 Silberdollar.
    Der Mann lacht.
    DER SCHREINER Sind Sie verrückt? Diese Stellagen sind aus Nußbaum!
    SHUI TA Dann nehmen Sie sie weg.
    DER SCHREINER Was heißt das?
    SHUI TA Sie sind zu teuer für mich. Ich ersuche Sie, die Nußbaumstellagen wegzunehmen.
    DIE FRAU Das ist gut gegeben! Sie lacht ebenfalls.
    DER SCHREINER unsicher: Ich verlange, daß Fräulein Shen Te geholt wird. Sie ist anscheinend ein besserer Mensch als Sie.
    SHUI TA Gewiß. Sie ist ruiniert.
    DER SCHREINER nimmt resolut eine Stellage und trägt sie zur Tür: Da können Sie Ihre Rauchwaren ja auf dem Boden aufstapeln! Mir kann es recht sein.
    SHUI TA zu dem Mann: Helfen Sie ihm!
    DER MANN packt ebenfalls eine Stellage und trägt sie grinsend zur Tür: Also hinaus mit den Stellagen!
    DER SCHREINER Du Hund! Soll meine Familie verhungern?
    SHUI TA Ich biete Ihnen noch einmal 20 Silberdollar, da ich meine Rauchwaren nicht auf dem Boden aufstapeln will.
    DER SCHREINER 100!
    Shui Ta schaut gleichmütig zum Fenster hinaus. Der Mann schickt sich an, die Stellage hinauszutragen.
    DER SCHREINER Zerbrich sie wenigstens nicht am Türbalken, Idiot! Verzweifelt. Aber sie sind doch nach Maß gearbeitet! Sie passen in dieses Loch und sonst nirgends hin. Die Bretter sind verschnitten, Herr!
    SHUI TA Eben. Darum biete ich Ihnen auch nur 20 Silberdollar. Weil die Bretter verschnitten sind.
    Die Frau quietscht vor Vergnügen.
    DER SCHREINER plötzlich müde: Da kann ich nicht mehr mit. Behalten Sie die Stellagen und bezahlen Sie, was Sie wollen.
    SHUI TA 20 Silberdollar.
    Er legt zwei große Münzen auf den Tisch. Der Schreiner nimmt sie.
    DER MANN die Stellagen zurücktragend: Genug für einen Haufen verschnittener Bretter!
    DER SCHREINER Ja, genug vielleicht, mich zu betrinken! Ab.
    DER MANN Den haben wir draußen!
    DIE FRAU sich die Lachtränen trocknend: »Sie sind aus Nußbaum!« – »Nehmen Sie sie weg!« – »100 Silberdollar! Ich habe vier Kinder!« – »Dann zahle ich 20!« – »Aber sie sind doch verschnitten!« – »Eben! 20 Silberdollar!« So muß man diese Typen behandeln!
    SHUI TA Ja. Ernst. Geht schnell weg.
    DER MANN Wir?
    SHUI TA Ja, ihr. Ihr seid Diebe und Schmarotzer. Wenn ihr schnell geht, ohne Zeit mit Widerrede zu vergeuden, könnt ihr euch noch retten.
    DER MANN Es ist am besten, ihm gar nicht zu antworten. Nur nicht schreien mit nüchternem Magen. Ich möcht wissen, wo bleibt der Junge?
    SHUI TA Ja, wo bleibt der Junge? Ich sagte euch vorhin, daß ich ihn nicht mit gestohlenem Kuchen in meinem Laden haben will. Plötzlich schreiend. Noch einmal: geht!
    Sie bleiben sitzen.
    SHUI TA wieder ganz ruhig: Wie ihr wollt.
    Er geht zur Tür und grüßt tief hinaus. In der Tür taucht ein Polizist auf.
    SHUI TA Ich vermute, ich habe den Beamten vor mir, der dieses Viertel betreut?
    DER POLIZIST Jawohl, Herr …
    SHUI TA Shui Ta. Sie lächeln einander an. Angenehmes Wetter heute!
    DER POLIZIST Nur ein wenig warm vielleicht.
    SHUI TA Vielleicht ein wenig warm.
    DER MANN leise zu seiner Frau: Wenn er quatscht, bis der Junge zurückkommt, sind wir geschnappt. Er versucht, Shui Ta heimlich ein Zeichen zu geben.
    SHUI TA ohne es zu beachten: Es macht einen Unterschied, ob man das Wetter in einem kühlen Lokal beurteilt oder auf der staubigen Straße.
    DER POLIZIST Einen großen Unterschied.
    DIE FRAU zum Mann: Sei ganz ruhig! Der Junge kommt nicht, wenn er den Polizisten in der Tür stehen sieht.
    SHUI TA Treten Sie doch ein. Es ist wirklich kühler hier. Meine Kusine und ich haben einen Laden eröffnet. Lassen Sie mich Ihnen sagen, daß wir den größten Wert darauf legen,
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