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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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wundern!
    SHUI TA Sind sie draußen? Alle? Ich kann nicht mehr schweigen. Ich habe euch erkannt, Erleuchtete!
    DER ZWEITE GOTT Was hast du mit unserm guten Menschen von Sezuan gemacht?
    SHUI TA Dann laßt mich euch die furchtbare Wahrheit gestehen, ich bin euer guter Mensch! Er nimmt die Maske ab und reißt sich die Kleider weg, Shen Te steht da.
    DER ZWEITE GOTT Shen Te!
    SHEN TE Ja, ich bin es. Shui Ta und Shen Te, ich bin beides.
    Euer einstiger Befehl
    Gut zu sein und doch zu leben
    Zerriß mich wie ein Blitz in zwei Hälften. Ich
    Weiß nicht, wie es kam: gut sein zu andern
    Und zu mir konnte ich nicht zugleich.
    Andern und mir zu helfen, war mir zu schwer.
    Ach, eure Welt ist schwierig! Zu viel Not, zu viel Verzweiflung!
    Die Hand, die dem Elenden gereicht wird
    Reißt er einem gleich aus! Wer den Verlorenen hilft
    Ist selbst verloren! Denn wer könnte
    Lang sich weigern, böse zu sein, wenn da stirbt, wer kein Fleisch ißt?
    Aus was sollte ich nehmen, was alles gebraucht wurde? Nur
    Aus mir! Aber dann kam ich um! Die Last der guten Vorsätze
    Drückte mich in die Erde. Doch wenn ich Unrecht tat
    Ging ich mächtig herum und aß vom guten Fleisch!
    Etwas muß falsch sein an eurer Welt. Warum
    Ist auf die Bosheit ein Preis gesetzt und warum erwarten den Guten
    So harte Strafen? Ach, in mir war
    Solch eine Gier, mich zu verwöhnen! Und da war auch
    In mir ein heimliches Wissen, denn meine Ziehmutter
    Wusch mich mit Gossenwasser! Davon kriegte ich
    Ein scharfes Aug. Jedoch Mitleid
    Schmerzte mich so, daß ich gleich in wölfischen Zorn verfiel
    Angesichts des Elends. Dann
    Fühlte ich, wie ich mich verwandelte und
    Mir die Lippe zur Lefze wurd. Wie Asch im Mund
    Schmeckte das gütige Wort. Und doch
    Wollte ich gern ein Engel sein den Vorstädten. Zu schenken
    War mir eine Wollust. Ein glückliches Gesicht
    Und ich ging wie auf Wolken.
    Verdammt mich: alles, was ich verbrach
    Tat ich, meinen Nachbarn zu helfen
    Meinen Geliebten zu lieben und
    Meinen kleinen Sohn vor dem Mangel zu retten.
    Für eure großen Pläne, ihr Götter
    War ich armer Mensch zu klein.
    DER ERSTE GOTT mit allen Zeichen des Entsetzens: Sprich nicht weiter, Unglückliche! Was sollen wir denken, die so froh sind, dich wiedergefunden zu haben!
    SHEN TE Aber ich muß euch doch sagen, daß ich der böse Mensch bin, von dem alle hier diese Untaten berichtet haben.
    DER ERSTE GOTT Der gute Mensch, von dem alle nur Gutes berichtet haben!
    SHEN TE Nein, auch der böse!
    DER ERSTE GOTT Ein Mißverständnis! Einige unglückliche Vorkommnisse. Ein paar Nachbarn ohne Herz! Etwas Übereifer!
    DER ZWEITE GOTT Aber wie soll sie weiterleben?
    DER ERSTE GOTT Sie kann es! Sie ist eine kräftige Person und wohlgestaltet und kann viel aushalten.
    DER ZWEITE GOTT Aber hast du nicht gehört, was sie sagt?
    DER ERSTE GOTT heftig: Verwirrtes, sehr Verwirrtes! Unglaubliches, sehr Unglaubliches! Sollen wir eingestehen, daß unsere Gebote tödlich sind? Sollen wir verzichten auf unsere Gebote? Verbissen. Niemals! Soll die Welt geändert werden? Wie? Von wem? Nein, es ist alles in Ordnung. Er schlägt schnell mit dem Hammer auf den Tisch.
    Und nun
    auf ein Zeichen von ihm ertönt Musik. Eine rosige Helle entsteht
    Laßt uns zurückkehren. Diese kleine Welt
    Hat uns sehr gefesselt. Ihr Freud und Leid
    Hat uns erquickt und uns geschmerzt. Jedoch
    Gedenken wir dort über den Gestirnen
    Deiner, Shen Te, des guten Menschen, gern
    Die du von unserm Geist hier unten zeugst
    In kalter Finsternis die kleine Lampe trägst.
    Leb wohl, mach's gut!
    Auf ein Zeichen von ihm öffnet sich die Decke. Eine rosa Wolke läßt sich hernieder. Auf ihr fahren die Götter sehr langsam nach oben.
    SHEN TE Oh, nicht doch, Erleuchtete! Fahrt nicht weg! Verlaßt mich nicht! Wie soll ich den beiden guten Alten in die Augen schauen, die ihren Laden verloren haben, und dem Wasserverkäufer mit der steifen Hand? Und wie soll ich mich des Barbiers erwehren, den ich nicht liebe, und wie Suns, den ich liebe? Und mein Leib ist gesegnet, bald ist mein kleiner Sohn da und will essen? Ich kann nicht hier bleiben! Sie blickt gehetzt nach der Tür, durch die ihre Peiniger eintreten werden.
    DER ERSTE GOTT Du kannst es. Sei nur gut und alles wird gut werden!
    Herein die Zeugen. Sie sehen mit Verwunderung die Richter auf ihrer rosa Wolke schweben.
    WANG Bezeugt euren Respekt! Die Götter sind unter uns erschienen! Drei der höchsten Götter sind nach Sezuan gekommen, einen guten Menschen zu suchen. Sie hatten ihn
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