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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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die plötzliche Magenverstimmung des Richters.
    DER ERSTE GOTT Nein, sie ist natürlich, da er eine halbe Gans aufgegessen hat.
    DIE SHIN Es sind neue Richter!
    WANG Und sehr gute!
    Der dritte Gott, der als letzter geht, hört ihn, wendet sich um und lächelt ihm zu. Die Götter setzen sich. Der erste Gott schlägt mit dem Hammer auf den Tisch. Der Polizist holt Shui Ta herein, der mit Pfeifen empfangen wird, aber in herrischer Haltung einhergeht.
    DER POLIZIST Machen Sie sich auf eine Überraschung gefaßt. Es ist nicht der Richter Fu Yi Tscheng. Aber die neuen Richter sehen auch sehr mild aus.
    Shui Ta erblickt die Götter und wird ohnmächtig.
    DIE JUNGE PROSTITUIERTE Was ist da? Der Tabakkönig ist in Ohnmacht gefallen.
    DIE SCHWÄGERIN Ja, beim Anblick der neuen Richter!
    WANG Er scheint sie zu kennen! Das verstehe ich nicht.
    DER ERSTE GOTT Sind Sie der Tabakgroßhändler Shui Ta?
    SHUI TA sehr schwach: Ja.
    DER ERSTE GOTT Gegen Sie wird die Anklage erhoben, daß Sie Ihre leibliche Kusine, das Fräulein Shen Te, beiseite geschafft haben, um sich ihres Geschäfts zu bemächtigen. Bekennen Sie sich schuldig?
    SHUI TA Nein.
    DER ERSTE GOTT in den Akten blätternd: Wir hören zunächst den Polizisten des Viertels über den Ruf des Angeklagten und den Ruf seiner Kusine.
    DER POLIZIST tritt vor: Fräulein Shen Te war ein Mädchen, das sich gern allen Leuten angenehm machte, lebte und leben ließ, wie man sagt. Herr Shui Ta hingegen ist ein Mann von Prinzipien. Die Gutherzigkeit des Fräuleins zwang ihn mitunter zu strengen Maßnahmen. Jedoch hielt er sich im Gegensatz zu dem Mädchen stets auf seiten des Gesetzes, Euer Gnaden. Er entlarvte Leute, denen seine Kusine vertrauensvoll Obdach gewährt hatte, als eine Diebesbande, und in einem andern Fall bewahrte er die Shen Te im letzten Augenblick vor einem glatten Meineid, Herr Shui Ta ist mir bekannt als respektabler und die Gesetze respektierender Bürger.
    DER ERSTE GOTT Sind weitere Leute hier, die bezeugen wollen, daß dem Angeklagten eine Untat, wie sie ihm vorgeworfen wird, nicht zuzutrauen ist?
    Vortreten Herr Shu Fu und die Hausbesitzerin.
    DER POLIZIST flüstert den Göttern zu: Herr Shu Fu, ein sehr einflußreicher Herr!
    HERR SHU FU Herr Shui Ta gilt in der Stadt als angesehener Geschäftsmann. Er ist zweiter Vorsitzender der Handelskammer und in seinem Viertel zum Friedensrichter vorgesehen.
    WANG ruft dazwischen: Von euch! Ihr macht Geschäfte mit ihm.
    DER POLIZIST flüsternd: Ein übles Subjekt!
    DIE HAUSBESITZERIN Als Präsidentin des Fürsorgevereins möchte ich dem Gerichtshof zur Kenntnis bringen, daß Herr Shui Ta nicht nur im Begriff steht, zahlreichen Menschen in seinen Tabakbetrieben die bestdenkbaren Räume, hell und gesund, zu schenken, sondern auch unserm Invalidenheim laufend Zuwendungen macht.
    DER POLIZIST flüsternd: Frau Mi Tzü, eine nahe Freundin des Richters Fu Yi Tscheng!
    DER ERSTE GOTT Jaja, aber nun müssen wir auch hören, ob jemand weniger Günstiges über den Angeklagten auszusagen hat.
    Vortreten Wang, der Schreiner, das alte Paar, der Arbeitslose, die Schwägerin, die junge Prostituierte.
    DER POLIZIST Der Abschaum des Viertels!
    DER ERSTE GOTT Nun, was wißt ihr von dem allgemeinen Verhalten des Shui Ta?
    RUFE durcheinander: Er hat uns ruiniert! Mich hat er erpreßt! Uns zu Schlechtem verleitet! Die Hilflosen ausgebeutet! Gelogen! Betrogen! Gemordet!
    DER ERSTE GOTT Angeklagter, was haben Sie zu antworten?
    SHUI TA Ich habe nichts getan, als die nackte Existenz meiner Kusine gerettet, Euer Gnaden. Ich bin nur gekommen, wenn die Gefahr bestand, daß sie ihren kleinen Laden verlor. Ich mußte dreimal kommen. Ich wollte nie bleiben. Die Verhältnisse haben es mit sich gebracht, daß ich das letzte Mal geblieben bin. Die ganze Zeit habe ich nur Mühe gehabt. Meine Kusine war beliebt, und ich habe die schmutzige Arbeit verrichtet. Darum bin ich verhaßt.
    DIE SCHWÄGERIN Das bist du. Nehmt unsern Jungen, Euer Gnaden! Zu Shui Ta: Ich will nicht von den Säcken reden.
    SHUI TA Warum nicht? Warum nicht?
    DIE SCHWÄGERIN zu den Göttern: Shen Te hat uns Obdach gewährt, und er hat uns verhaften lassen.
    SHUI TA Ihr habt Kuchen gestohlen!
    DIE SCHWÄGERIN Jetzt tut er, als kümmerten ihn die Kuchen des Bäckers! Er wollte den Laden für sich haben!
    SHUI TA Der Laden war kein Asyl, ihr Eigensüchtigen!
    DIE SCHWÄGERIN Aber wir hatten keine Bleibe!
    SHUI TA Ihr wart zu viele!
    WANG Und sie hier! Er deutet auf die beiden Alten. Waren
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