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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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sein, ich bin vor ihnen sicher.
    Er hat sich zurückgelegt und schläft ein. Musik. Die Böschung wird durchsichtig, und es erscheinen die Götter.
    WANG hebt den Arm vors Gesicht, als sollte er geschlagen werden: Sagt nichts, ich weiß alles! Ich habe niemand gefunden, der euch aufnehmen will, in keinem Haus! Jetzt wißt ihr es! Jetzt geht weiter!
    DER ERSTE GOTT Doch, du hast jemand gefunden. Als du weg warst, kam er. Er nahm uns auf für die Nacht, er behütete unseren Schlaf, und er leuchtete uns mit einer Lampe am Morgen, als wir ihn verließen. Du aber hast ihn uns genannt als einen guten Menschen, und er war gut.
    WANG So war es Shen Te, die euch aufnahm?
    DER DRITTE GOTT Natürlich.
    WANG Und ich Kleingläubiger bin fortgelaufen! Nur weil ich dachte: sie kann nicht kommen. Da es ihr schlecht geht, kann sie nicht kommen.
    DIE GÖTTER
    O du schwacher!
    Gut gesinnter, aber schwacher Mensch!
    Wo da Not ist, denkt er, gibt es keine Güte!
    Wo Gefahr ist, denkt er, gibt es keine Tapferkeit!
    O Schwäche, die an nichts ein gutes Haar läßt!
    O schnelles Urteil! O leichtfertige Verzweiflung!
    WANG Ich schäme mich sehr, Erleuchtete!
    DER ERSTE GOTT Und jetzt, Wasserverkäufer, tu uns den Gefallen und geh schnell zurück nach der Hauptstadt und sieh nach der guten Shen Te dort, damit du uns von ihr berichten kannst. Es geht ihr jetzt gut. Sie soll das Geld zu einem kleinen Laden bekommen haben, so daß sie dem Zug ihres milden Herzens ganz folgen kann. Bezeig du Interesse an ihrer Güte, denn keiner kann lang gut sein, wenn nicht Güte verlangt wird. Wir aber wollen weiter wandern und suchen und noch andere Menschen finden, die unserm guten Menschen von Sezuan gleichen, damit das Gerede aufhört, daß es für die Guten auf unserer Erde nicht mehr zu leben ist.
    Sie verschwinden.

2
Der Tabakladen
    Überall schlafende Leute. Die Lampe brennt noch. Es klopft.
    DIE FRAU erhebt sich schlaftrunken: Shen Te! Es klopft! Wo ist sie denn?
    DER NEFFE Sie holt wohl Frühstück. Der Herr Vetter bezahlt es.
    Die Frau lacht und schlurft zur Tür. Herein ein junger Herr, hinter ihm der Schreiner.
    DER JUNGE HERR Ich bin der Vetter.
    DIE FRAU aus den Wolken fallend: Was sind Sie?
    DER JUNGE HERR Mein Name ist Shui Ta.
    DIE GÄSTE sich gegenseitig aufrüttelnd: Der Vetter! – Aber das war doch ein Witz, sie hat ja gar keinen Vetter! – Aber hier ist jemand, der sagt, er ist der Vetter! – Unglaublich, so früh am Tag!
    DER NEFFE Wenn Sie der Vetter der Gastgeberin sind, Herr, dann schaffen Sie uns schleunigst etwas zum Frühstück!
    SHUI TA die Lampe auslöschend: Die ersten Kunden kommen bald, bitte, ziehen Sie sich schnell an, daß ich meinen Laden aufmachen kann.
    DER MANN Ihren Laden? Ich denke, das ist der Laden unserer Freundin Shen Te? Shui Ta schüttelt den Kopf. Was, das ist gar nicht ihr Laden?
    DIE SCHWÄGERIN Da hat sie uns also angeschmiert! Wo steckt sie überhaupt?
    SHUI TA Sie ist abgehalten. Sie läßt Ihnen sagen, daß sie nunmehr, nachdem ich da bin, nichts mehr für Sie tun kann.
    DIE FRAU erschüttert: Und wir hielten sie für einen guten Menschen!
    DER NEFFE Glaubt ihm nicht! Sucht sie!
    DER MANN Ja, das wollen wir. Er organisiert. Du und du und du und du, ihr sucht sie überall. Wir und Großvater bleiben hier, die Festung zu halten. Der Junge kann inzwischen etwas zum Essen besorgen. Zum Jungen: Siehst du den Kuchenbäcker dort am Eck? Schleich dich hin und stopf dir die Bluse voll.
    DIE SCHWÄGERIN Nimm auch ein paar von den kleinen hellen Kuchen!
    DER MANN Aber gib acht, daß der Bäcker dich nicht erwischt. Und komm dem Polizisten nicht in die Quere!
    Der Junge nickt und geht weg. Die übrigen ziehen sich vollends an.
    SHUI TA Wird ein Kuchendiebstahl nicht diesen Laden, der Ihnen Zuflucht gewährt hat, in schlechten Ruf bringen?
    DER NEFFE Kümmert euch nicht um ihn, wir werden sie schnell gefunden haben. Sie wird ihm schön heimleuchten.
    Der Neffe, der Bruder, die Schwägerin und die Nichte ab.
    DIE SCHWÄGERIN im Abgehen: Laßt uns etwas übrig vom Frühstück!
    SHUI TA ruhig: Sie werden sie nicht finden. Meine Kusine bedauert natürlich, das Gebot der Gastfreundschaft nicht auf unbegrenzte Zeit befolgen zu können. Aber Sie sind leider zu viele! Dies hier ist ein Tabakladen, und Fräulein Shen Te lebt davon.
    DER MANN Unsere Shen Te würde so etwas überhaupt nicht über die Lippen bringen.
    SHUI TA Sie haben vielleicht recht. Zum Schreiner: Das Unglück besteht darin, daß die Not in dieser Stadt
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