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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern
Autoren: Lin Carter
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suchten den Puls.
    »Wird er leben, Doktor?« fragte meine Haushälterin besorgt.
    Er runzelte die Stirn, während er meine Herzschläge zählte.
    »Er lebt, aber kaum. Es war gut, daß Sie mich anriefen, Mrs. Twomey. Ohne medizinische Hilfe hätte er nicht sehr viel länger durchgehalten. Wir müssen ihn unter ein Sauerstoffzelt bringen, und das so schnell wie möglich.«
    »Aber was ist geschehen? Was in aller Welt ist es?« fragte sie mit schreckgeweiteten Augen.
    Er schürzte nachdenklich die Lippen.
    »Ich wünschte, ich könnte es sagen! Ich fürchte, es handelt sich um etwas, das außerhalb meiner Erfahrung liegt. Eine Art Koma, aber weder durch Drogen noch durch Verletzungen oder eine einfach zu diagnostizierende Krankheit verursacht, soweit ich es beurteilen kann. Eine gründliche Untersuchung und stationäre Behandlung in einem Krankenhaus sind jedenfalls angezeigt. Sie haben sicherlich ein Telefon im Haus, nicht wahr?«
    »In der Diele.«
    »Gut. Ich werde einen Krankenwagen bestellen und sehen, daß ich ihn auf der Intensivstation unterbringen kann.«
    Sie ließen mich allein. Ich hörte sie hinausgehen, und kurz darauf drang die Stimme des Arztes an mein Ohr, als er mit dem Krankenhaus telefonierte. Ich lag still, ohne einen Muskel zu bewegen, durchdrungen von einer Schwäche, die meinen Geist wie meinen Körper zu lähmen schien. Ein mattes Lächeln verzog meine Lippen. Ich hätte gelacht, wäre es mir möglich gewesen. Denn endlich verstand ich den bitteren Scherz, den die Götter oder das Schicksal sich mit mir geleistet hatten. Ja, jetzt war mir alles klar, allzu klar. Der körperliche Tod Chongs hatte nicht den Tod meines Geistes bedeutet, sondern nur die zeitweilige Auslöschung meines Bewußtseins, während mein wanderndes Selbst aus seiner geliehenen fleischlichen Hülle entkommen und über die kalten, dunklen Abgründe zwischen den Sternen zu der Welt zurückgeflohen war, wo mein eigener Körper gelegen und auf seine Wiederbeseelung gewartet hatte.
    Mit der Zeit kam ich wieder zu Kräften, aber es vergingen viele Tage, an denen mein geschwächter Körper nur von den Mechanismen der modernen Medizin und dem zähen Willen meines Geistes am Leben erhalten wurde.
    Ich war viel zu lang von meinem Körper getrennt gewesen, weitaus länger, als ich beabsichtigt hatte. Meine Liebe zu Niamh und der Wirbel der Ereignisse auf einer zauberhaften fremden Welt, die mir jetzt nur noch wie ein besonders lebendiger und farbiger Traum erscheinen, hatten jeden Gedanken an eine freiwillige Rückkehr in mir ausgelöscht.
    Während der erzwungenen Untätigkeit meiner Rekonvaleszenz schrieb ich diese Geschichte meiner Erlebnisse auf der Welt des grünen Sterns nieder, getrieben von einem inneren Drang, der mir selbst nicht ganz erklärlich ist. Vielleicht war es der Wunsch, alles festzuhalten, wie es war, bevor ich die Schönheit, die Fremdartigkeit und die Ängste jener Erlebnisse vergäße, die sicherlich zu den umheimlichsten und wunderbarsten Abenteuern zählen, die je ein Bewohner dieses Planeten erlebt hat. Dieses Dokument soll versiegelt in einem Tresor verwahrt und erst nach meinem Tode geöffnet werden; denn sollten jemals neugierige Augen diese Seiten lesen, so wird man diesen Bericht sicherlich für nichts als ein Erzeugnis abstruser Fantasie halten. Das aber möchte ich nicht mehr erleben.
    Und nun, da ich am Ende meiner Geschichte angelangt bin, fühle ich in mir einen seltsamen Widerwillen, sie ganz abzuschließen, als setzte ich dadurch einen endgültigen Schlußstrich unter mein Abenteuer, als würde es dadurch in den dämmrigen Fernen der Vergangenheit verblassen, während ich dazu verurteilt sei, in die Zukunft weiterzuleben. Solange ich daran arbeite und Seite um Seite fülle, bleiben meine Abenteuer und meine fernen Freunde wirklich und sehr nahe; ist das Manuskript aber einmal beendet und zur Seite gelegt, ist auch die Sache selbst vorbei, erledigt und beendet.
    In Kürze, so sagt man mir, werde ich ganz wiederhergestellt sein. Ich habe oft davon geträumt, ein zweitesmal in Geistgestalt durch den dunklen Kosmos zu jener seltsamen Welt der Nebel und Riesenbäume zu reisen. Aber was bliebe mir, wohin zurückzukehren sich lohnte? Es gelang mir nicht, die Frau meiner Liebe vor den Klauen ihrer Todfeinde zu retten, die liebliche Niamh, die inzwischen sicherlich den Tod gefunden hat, sei es in der Wildnis, sei es von der Hand der rachsüchtigen Siona oder des Tyrannen Akhmim.
    Könnte ich es ertragen,
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