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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern
Autoren: Lin Carter
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nicht mehr wettzumachen … Wenn wir es schafften, in die Luft zu kommen!
    Ein dumpfes Hämmern in den Schläfen, den Geschmack der Verzweiflung wie öliges Messing auf der Zunge, stand ich da, gespannt und zitternd, und wartete, daß Niamh endlich mit dem Satteln der Reitlibellen fertig würde.

20. Jenseits des schwarzen Tors
    Plötzlich sprach Siona. Ihre leise Stimme klang seltsam flau und ohne Modulation, und ich spürte ein Beben, das unterdrückte Erregung signalisierte.
    »Du kannst nicht entkommen«, flüsterte sie.
    Ich zuckte die Achseln und sagte: »Ich werde es trotzdem versuchen.«
    »Nein. Denn meine Männer werden dich bis ans Ende der Welt verfolgen, um dich zu mir zurückzubringen.«
    Das war eine seltsame Wortwahl.
    »Damit du Vergeltung üben kannst? Oder willst du uns an die Abgesandten von Ardha verkaufen, unsere Feinde?«
    Sie sagte nichts, aber ich hörte ihren raschen Atem in der Dunkelheit.
    Auf einmal taumelte ich wie in einem Schwindelanfall. Das Schwächegefühl übermannte mich, die Dunkelheit begann um mich zu kreisen, und meine Beine waren wie aus Gummi. Ich fror erbärmlich.
    Siona wandte mir das Gesicht zu.
    »Du bist verletzt!« sagte sie mit stockender Stimme.
    Ich schüttelte den Kopf, aber das Schwindelgefühl wollte nicht weichen.
    »Es ist nichts«, sagte ich lallend.
    »Nein – du bist verwundet; Sligon hat dich erwischt!«
    »Ein Kratzer – weiter nichts«, murmelte ich. Dann hob ich mit Mühe meine Stimme und sagte: »Niamh. Beeile dich!«
    »Gleich fertig«, antwortete sie.
    Und dann waren sie über uns, wie lautlos angreifende Wölfe aus der Dunkelheit. Ich wirbelte herum und parierte eine auf mich niedersausende Schwertklinge. Sie flog dem Angreifer aus der Hand, aber schon tauchte ein zweiter auf, und ein dritter. Sekundenlang hielt ich sie in Schach; aber es war nicht mehr als ein verzweifeltes Aufbäumen, ein Mobilisieren der letzten Kräfte.
    Hinter mir hörte ich Niamh aufschreien. Füße scharrten und stampften, und ein Mann brüllte heiser auf. Dann kam eine Gestalt aus dem Stall gewankt, mit beiden Händen sein blutendes, von Niamhs Messer gezeichnetes Gesicht haltend.
    »Chong!« rief sie. »Komm schnell!«
    Aber es war zu spät. Sie hatte zu lange gebraucht. Ich war von Männern umringt, und meine Kraft erlahmte rasch. Ich konnte sie kaum noch abwehren, und an ein Durchbrechen ihres Rings war nicht zu denken.
    »Niamh! Sitz auf und flieg! Ich komme nach.«
    »Aber …«
    »Flieg, oder alles war umsonst!«
    Ich hörte das raschelnde Schwirren großer Flügel, und etwas Schwarzes erhob sich über uns, schwärzer als die Dunkelheit. Ich glaubte den hellen Fleck ihres Gesichts zu sehen, das zu mir herabspähte. Sie war in Sicherheit. Sie flog, und in dieser Finsternis konnten sie sie nicht fangen.
    Wenigstens hoffte ich es. Denn ich konnte nicht mehr tun als ich getan hatte. Die Gestalten der Angreifer tanzten und kreisten vor meinen Augen, und mein Herz kämpfte einen mühsamen und verzweifelten Kampf in meiner Brust, als wolle es den Käfig der Rippen durchbrechen und ihr nachfliegen.
    Ich begriff, daß ich innerlich verblutete. Er hatte gut getroffen, der bucklige Verräter. Seine Klinge mußte eine Arterie unter meinem Herzen verletzt haben, und nun war das Ende da. Es war beinahe ein Trost, daß er die Straße vorausgehumpelt war, die zum schwarzen Tor des Todes hinabführt. Nun würde ich ihm folgen, das wußte ich.
    Die Wunde war tödlich. Keine Macht dieser oder einer anderen Welt konnte mich jetzt noch retten.
    Ich hörte eine Frau weinen.
    Ich wußte nicht, wie ich dahin gekommen war, aber ich lag am Boden. Sionas Gesicht war über mich gebeugt, und sie hielt mich wie ein Kind in den Armen. Ihr Gesicht war verzerrt und naß von Tränen, und endlich begann ich zu begreifen, warum sie sich so seltsam verhalten hatte, als Sligon mir den Todesstoß versetzen wollte, und warum sie Niamh in meiner Gegenwart gedemütigt hatte. Gott helfe mir, aber ich hatte es nicht wahrhaben wollen: Siona – liebte mich!
    Ich dachte noch, daß ich mich aufrappeln müsse, daß es nicht so enden könne. Sicherlich würden die Götter nicht so grausam sein, mir jetzt das Leben zu nehmen, wo Niamh mich am nötigsten brauchte, wo ihre Feinde über Phaolon herfallen wollten. Ich durfte nicht hier sterben und Niamh allein und verloren und hilflos im grenzenlosen Wald himmelhoher Bäume zurücklassen …
    Wieder sah ich ihr bleiches Gesicht in der Dunkelheit schimmern, als sie über
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