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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern
Autoren: Lin Carter
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befinden sich in diesem Moment unter uns, hier in dieser Halle!«
    Es war Sligon, natürlich. Der rachsüchtige Krüppel sprang auf die Plattform, zog alle Blicke mit einer dramatisch ausholenden Armbewegung an sich – und zeigte auf uns.
    Alle Blicke wandten sich uns zu. Verblüffung und Verwunderung, ungläubiges Staunen war auf allen Gesichtern. Yurgon starrte mich an wie eine Erscheinung. Kaorn stand mit offenem Mund neben mir, völlig verwirrt.
    Siona machte keine Ausnahme. Sie stand wie gelähmt, mit blassen Lippen, den Blick starr auf uns gerichtet. Dann kam allmählich Leben in ihre Augen, und ihre Züge nahmen einen Ausdruck wilden Triumphs, raubtierhafter Wut und wollüstiger Grausamkeit an, wie ich ihn niemals wieder in einem menschlichen Antlitz sehen möchte. Ihr Gesicht hatte plötzlich kaum mehr etwas Menschenähnliches an sich, es glich dem einer Furie, einer rasenden Medusa aus den dunkelsten Alpträumen der Mythologie.
    Ich wartete nicht, bis sie ihr Todesurteil über Niamh herauskreischte. Ein Entkommen war unmöglich. Meine einzige Hoffnung war, Siona selbst irgendwie in meine Gewalt zu bringen, während alle anderen noch verblüfft herumstanden, benommen von dieser plötzlichen Wendung. Nur mit meiner Klinge an ihrer Kehle mochte uns die Flucht gelingen, so verzweifelt gering die Chance auch war.
    Mit drei langen Sätzen war ich auf der Plattform. Meine Hand schoß heraus, stieß den nächsten Bewaffneten zu Boden und riß ihm das Buschmesser aus der Scheide. Aber ich hatte den Buckligen nicht in meine Rechnung einbezogen. Plötzlich befand sich Sligon zwischen Siona und mir, und ein glitzerndes Messer war in seiner Hand – dasselbe, das er schon einmal gegen mich erhoben hatte, als es in unserer Schlafkammer beinahe zum Kampf gekommen war.
    Er ging sofort auf mich los, und sein Angriff war von so mörderischer Heftigkeit, daß sein Messer Funken aus meiner parierenden Klinge schlug. Er war kleiner als ich und hatte ein verkürztes Bein, aber er war ein routinierter Messerstecher, der jeden niederträchtigen Trick und jede Finte kannte, und er setzte sie alle ein.
    Unter normalen Umständen hatte ein kaum mittelgroßer Mann mit einem Messer nur geringe Chancen gegen einen hünenhaften Athletentyp mit einem Kurzschwert. Aber die Klinge, die ich dem stolpernden Waldläufer entrissen hatte, hatte keine Ähnlichkeit mit dem breiten, geraden Schwert, mit dem ich in Phaolon geübt hatte. Meine Waffe war ein gebogenes Haumesser mit schwerer Klinge, ähnlich einer Machete. In geübten Händen mochte es eine schreckliche Waffe sein, jedem Jagdmesser weit überlegen, aber es lag klobig und nicht ausbalanciert in meiner Hand, und ich wußte nicht recht damit umzugehen, und so war Sligon im Vorteil. Seine Klinge unterlief meinen ungeschickt parierenden Arm, und ich fühlte einen scharfen, brennenden Schmerz in meiner linken Seite, als die aufwärts stoßende Waffe unter meinen Brustharnisch drang. Der Schmerz hielt nur einen Moment an, dann wurde er von einem Gefühl kalter Betäubung verdrängt, und ich tat die Verletzung als einen harmlosen Kratzer ab und kämpfte weiter.
    Sligon war nicht nur ein schlauer und bösartiger Gegner, der jeden schmutzigen Nahkampftrick kannte, sein verwachsener und unansehnlicher Körper verfügte über unerwartet viel Energie und unglaubliche Ausdauer – und er kämpfte mit der Wut von dreißig Teufeln.
    Wahrscheinlich war es der verzehrende Haß in ihm, der ihn dazu verführte, daß er sich selbst zu übertreffen versuchte. Er ließ sich die Initiative nicht entreißen, sprang um mich herum, täuschte, warf sich mit blitzschnell zustoßenden Attacken auf mich und war schon wieder außer Reichweite, wenn ich mit meiner plumpen Waffe nach ihm hackte. Ich konnte ihn mir mit knapper Not vom Leib halten; das war alles, was ich vermochte. Und während ich kämpfte, breitete sich eine seltsame Müdigkeit in mir aus. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, immer schwächer zu werden.
    Dann kam der Moment, da ich in einer Pfütze verschüttetem Weins ausglitt, das Gleichgewicht verlor und in die Knie brach. Ich wußte, daß Sligon mich nun so gut wie sicher hatte, und er wußte es auch. Grausame Freude und Genugtuung leuchteten in seinen kleinen bösen Augen, als er mich geduckt umkreiste, den Moment abwartend, mir das Jagdmesser zum Fangstoß in den Hals zu treiben.
    Eine Stimme gellte durch den Aufruhr – die helle Stimme einer Frau, heiser vor Erregung: »Nein!«
    Siona sprang
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