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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1
Autoren: Alexandre Dumas
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andern Morgen nach einer in Angst und Schrecken verbrachten Nacht die Nachbarin sich aus ihrem Haus wagte und die Tür unseres Hauses durch den Richter öff nen ließ, fand man Assunta halb verbrannt, aber noch atmend. Die Schränke waren erbrochen, das Geld verschwunden. Benedetto hatte Rogliano verlassen, um nicht mehr dahin zurückzukehren; seitdem habe ich ihn nicht wiedergesehen und auch nichts wieder von ihm gehört.
    Darauf kam ich zu Eurer Exzellenz. Ich hatte Ihnen nichts mehr von Benedetto zu sagen, da er verschwunden war, und auch nichts von meiner Schwägerin, da sie tot war.«
    »Und was haben Sie von diesem Ereignis gedacht?« fragte Monte Christo.
    »Daß es die Strafe für das Verbrechen sei, das ich begangen hatte«, antwortete Bertuccio. »Oh, die Villeforts waren ein verfl uchtes Geschlecht.«
    »Ich glaube es«, murmelte der Graf düster.
    »Und jetzt«, fuhr Bertuccio fort, »verstehen Eure Exzellenz wohl, weshalb mich dieses Haus so in fi nstere Aufregung versetzt hat. Ich bin nicht sicher, daß hier vor mir zu meinen Füßen nicht Herr von Villefort in der Grube liegt, die er für sein Kind gegraben hatte.«
    »In der Tat, alles ist möglich«, sagte Monte Christo, indem er von der Bank aufstand; »selbst«, fügte er für sich hinzu, »daß der Staatsanwalt nicht tot ist. Der Abbé Busoni hat gut daran getan, Sie zu mir zu schicken. Sie haben gleichfalls gut daran getan, mir Ihre Geschichte zu erzählen, denn ich werde von Ihnen nichts Schlechtes denken. Haben Sie versucht, eine Spur von diesem Benedetto aufzufi nden, zu erfahren, was aus ihm geworden ist?«
    »Nie; hätte ich gewußt, wo er war, so wäre ich wie vor einem Ungeheuer vor ihm gefl ohen. Nein, zum Glück habe ich nie von ihm sprechen hören; hoff entlich ist er tot.«
    »Hoff en Sie nicht, Bertuccio«, sagte der Graf; »die Schlechten sterben nicht so, denn Gott scheint sie in seinen Schutz zu nehmen, um sie zum Werkzeug seiner Rache zu machen.«
    »Sei’s!« entgegnete Bertuccio. »Aber ich will ihn niemals wiedersehen. Jetzt«, fuhr der Verwalter fort, indem er den Kopf senkte, »wissen Sie alles, Herr Graf: Sie sind mein Richter; wollen Sie mir nicht einige Worte des Trostes sagen?«
    »Sie haben recht«, antwortete Monte Christo, »und ich kann Ihnen sagen, was Ihnen der Abbé Busoni sagen würde: Derjenige, den Ihr Messer getroff en hat, dieser Villefort, verdiente eine Strafe für das, was er Ihnen getan hatte, und vielleicht noch für etwas anderes. Wenn Benedetto noch lebt, wird ihn Gott irgendwann als Rachewerkzeug verwenden, und dann wird er seinerseits seine Strafe empfangen. Was Sie betriff t, so haben Sie sich in Wirklichkeit nur den einen Vorwurf zu machen, daß Sie das Kind nicht seiner Mutter wiedergegeben haben; das ist Ihr Verbrechen, Bertuccio.«
    »Ja, gnädiger Herr, das ist das wahre Verbrechen, denn darin bin ich feige gewesen. Aber um das Kind der Mutter wiederzugeben, hätte ich Erkundigungen einziehen, die Aufmerksamkeit auf mich lenken, mich vielleicht selbst ausliefern müssen. Ich wollte nicht sterben, ich hing am Leben, teils meiner Schwägerin wegen, teils wegen der angeborenen Eitelkeit, die unsereiner hat, in der Rache siegreich zu bleiben, und dann vielleicht aus Liebe zum Leben selbst.
    Oh, ich bin kein Tapferer wie mein armer Bruder!«
    Bertuccio verbarg sein Gesicht in den Händen, und Monte Christo sah ihn lange mit einem sonderbaren Blick an.
    »Wir wollen diese alten Geschichten nie wieder aufrühren«, sagte er mit einem Ton bei ihm nicht gewöhnlicher Schwermut, »und zum Schluß merken Sie sich meine Worte, die ich oft den Abbé Busoni habe sprechen hören: Es gibt für alle Übel zwei Mittel, Zeit und Schweigen. Jetzt, Herr Bertuccio, lassen Sie mich einen Augenblick hier im Garten allein. Was Sie, der Sie an diesem Drama tätigen Anteil genommen haben, im Innersten aufwühlt, das verschaff t mir nur ein fast angenehmes Gefühl, das dieser Besitzung einen doppelten Wert gibt. Die Bäume, sehen Sie, Herr Bertuccio, gefallen nur, weil sie Schatten spenden, und der Schatten selbst gefällt nur, weil er zu Träumen und Visionen einlädt. Als ich diesen Garten kaufte, glaubte ich einfach ein Stückchen Erde zu kaufen, das von Mauern umschlossen ist, und plötzlich stellt es sich heraus, daß es ein Garten voll Gespenster war, die nicht im Kontrakt standen. Und ich liebe die Gespenster; ich habe nie gehört, daß die Toten in sechstausend Jahren so viel Böses getan hätten, wie die Lebenden
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