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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein
Autoren: Barbara Goldstein
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besaßen riesige Ländereien in England, Schottland, Frankreich, Portugal, Kastilien, Aragón, Italien und im Deutschen Reich. Zudem Hunderte von Komtureien und Burgen in ganz Europa und im Heiligen Land. Und eine Flotte – ein Herrscher, der einen Kreuzzug ins Heilige Land plante, musste erst den Großmeister der Templer fragen, ob er ihm Schiffe zur Verfügung stellte. Die Ordensritter waren die Bankiers von Königen und Päpsten – kaum ein Herrscher, der nicht bei den Templern verschuldet war und ihnen seine Kronjuwelen verpfänden musste. Wie ein souveränes Staatsoberhaupt empfing der Großmeister, ehrsüchtig und stolz umgeben von seinem ritterlichen Gefolge, die Könige von England und Frankreich in den Tempeln in London und Paris und betrieb eine eigene Außenpolitik – nicht nur im Orient. Der Templerorden war ein Staat im Staat, der sich von Schottland bis Sizilien und von Portugal bis ins Heilige Land erstreckte – nicht mitgerechnet die Geheimagenten des Ordens in den muslimischen Ländern. Nachdem Sultan Salah ad-Din 1187 Jerusalem erobert und den Tempelberg erneut dem Islam geweiht hatte, verlegten die Templer ihr Hauptquartier nach Akko. Erst 1291 wurden sie nach Limassol auf Zypern vertrieben, als die Mamelucken, die von Kairo aus noch immer das Heilige Land beherrschen, die letzte Bastion der Kreuzfahrer stürmten.«
    »Das war der Anfang vom Ende, das König Philippe von Frankreich im Jahr 1307 besiegelte, als er die Templer wegen Häresie anklagte und durch seinen Vertrauten, den Inquisitor von Frankreich, verurteilen und auf dem Scheiterhaufen hinrichten ließ«, ergänzte der Papst. »Daraufhin wurde der Templerorden entmachtet und zerschlagen.«
    Monsignor Fantìn, der mit seinem goldenen, mit Rubinen besetzten Brustkreuz gespielt und dabei seine scharfen Krallen in den wollenen Habit geschlagen hatte, verbannte er ungeduldig von seinem Schoß.
    »Die reichste und mächtigste Organisation der Welt, die außer dem Großmeister nur dem Papst Gehorsam schuldete, gibt es nicht mehr. Doch gingen die tapferen Gotteskrieger und mit ihnen der Mythos der vollkommenen Ritter Christi auf lebenslangem Kreuzzug an jenem Freitag, dem 13. Oktober 1307, wirklich unter?«
    »Ein Templerkreuz, mit Blut gemalt …«, flüsterte der Papst.
    Ich nickte. »Wem also vermachten die Templer ihr geheimes Wissen, das sie bei der Inquisition in den Verdacht der Häresie gebracht hatte?«
    Er starrte mich an. »Alessandra, Ihr wisst, wer …?«
    Ich hob die Hand und bat ihn um Geduld. »Wie Ihr wisst, hat mein Vater als Dominikaner in Paris Kirchenrecht studiert. Er war fasziniert von den Templern, die muslimisches Wissen ins christliche Abendland brachten. Einige Großmeister leisteten sich muslimische Sekretäre und jüdische Leibärzte, korrespondierten mit den Führern islamischer Sekten wie den Assassinen und gewährten ›Ungläubigen‹ die Aufnahme in den Orden.«
    »Kein Wunder, dass die ›Verteidiger des Glaubens‹ ins Kreuzfeuer der Inquisition gerieten«, brummte der Papst und schüttelte unwillig den Kopf.
    »Als mein Vater nach dem Konzil von Konstanz als Inquisitor von Papst Martin nach Rom zurückkehrte, hat er begeistert die Akten der Templerprozesse im Geheimarchiv des Vatikans studiert und in einem Buch ausführlich kommentiert.«
    »Ja, ich weiß. Als Kardinal habe ich seine Anmerkungen gelesen.« Eugenius nahm den in Leder gebundenen Folianten von meinem Tisch und blätterte durch die steifen Pergamentseiten, die dabei leise knackten. »Der ›Richter Gottes‹, der in Konstanz ein Schisma beendet und drei Päpste abgesetzt hatte, verdammte die französischen Inquisitoren als ›Folterknechte, die ihre Hände mit dem Blut Unschuldiger besudelt und eine nicht zu vergebende Schuld auf die Kirche geladen hätten‹.« Der Papst legte das Buch zurück auf den Tisch. »Euer Vater verurteilte das Machtstreben König Philippes, der sich des legendären Templerschatzes bemächtigen wollte, auf das Schärfste. Die Ritter Christi lobte er als aufrechte Verteidiger des Glaubens und sprach sie frei vom Verdacht der Häresie.«
    »Ganz recht. In den letzten Tagen habe ich Lucas Anmerkungen erneut gelesen, um zu verstehen, warum sich der Assassino mit dem Templerkreuz auf dem Habit dafür interessierte«, erklärte ich. »Die Anschuldigungen, die gegen die Tempelritter erhoben wurden, sind wirklich erschreckend. Sie verraten mehr über die geistige Haltung der Inquisitoren als über die ihrer Opfer. Mit
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