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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein
Autoren: Barbara Goldstein
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erschreckt hat.
    In diesem Augenblick reiße ich meinen Dolch hoch, werfe mich gegen ihn, sodass er zu taumeln beginnt, ducke mich unter der Klinge des Schwertes hindurch und ramme ihm mit aller Kraft meinen Dolch in die linke Schulter.
    Tristão brüllt vor Schmerz, lässt die Fackel fallen, die im Wasser zischend verlischt, und stolpert los, um zu fliehen. Er stürzt im Wasser, springt jedoch sofort wieder auf, taumelt die Stufen hinauf und verschwindet in dem Gang, der nach Norden führt.
    Wohin will er? Zum Felsendom! Er wird entkommen!
    Yared packt mich am Arm und deutet in Richtung des römischen Aquädukts. »Siehst du?«
    Das Licht einer Fackel. Jemand kommt auf uns zu.
    Mir bleibt das Herz stehen.
    Ein Mamelucke in Helm und Harnisch.

· Yared ·
Kapitel 82
    Im Labyrinth des Tempelbergs
    20. Dhu’l Hijja 848, 23. Nisan 5205
    Osterdienstag, 30. März 1445
    Zwei Uhr fünfzehn nachts

    »Yared?«, ruft er.
    Ich will mich schon abwenden und mit Alessandra fliehen, als ich ihn erkenne. »Benyamin!«
    Schwer atmend bleibt er vor uns stehen.
    »Wieso bist du nicht bei Tayeb und Elija?«
    Er sieht mich an und legt mir die Hand auf die Schulter. »Beruhige dich, Yared! Den beiden geht es gut.«
    »Wo sind sie?«, fragt Alessandra ängstlich.
    »Die Schlacht um die Zitadelle ist zu Ende. Uthmans Mamelucken suchen euch in der ganzen Stadt. Die Höhle schien mir nicht mehr sicher genug zu sein«, berichtet er. »Ich habe Tayeb und Elija zu Rabbi Eleazars Sohn Yonatan gebracht. Er besitzt einen Esel. Er bringt die beiden nach Betlehem zu seinem Bruder Aviram und bleibt bei ihnen. Sie müssten schon bald in Betlehem ankommen. Yonatan wird Tayeb und Elija morgen nach Akko geleiten.«
    Alessandra atmet erleichtert auf. Ich lege meinen Arm um ihre Schultern und ziehe sie an mich. Sie ist völlig erschöpft und zittert am ganzen Körper.
    »Yonatan lässt dir Grüße bestellen«, fährt Benyamin fort. »Er ist froh, dir helfen zu können, wie dein Vater einst seinem Vater geholfen hat, aus dem Kerker der Inquisition zu entkommen.«
    Alessandra nickt stumm.
    Rasch berichte ich Benyamin, was während der letzten Stunde geschehen ist. »Wir müssen so schnell wie möglich verschwinden. Tristão ist geflohen. Er hat Alessandras Notizbuch.«
    »O nein!«, stöhnt sie.
    »Hol unsere Ausrüstung aus der Höhle, und führe Benyamin zu dem eingestürzten Gewölbe, wo du das Templerschwert gefunden hast. Wartet dort auf mich.«
    »Und du?«
    »Ich verstecke Nikolas’ Leiche und verwische so gut es geht die Spuren des Kampfes. Dann komme ich nach.«

· Alessandra ·
Kapitel 83
    Im Labyrinth des Tempelbergs
    20. Dhu’l Hijja 848, 23. Nisan 5205
    Osterdienstag, 30. März 1445
    Gegen vier Uhr dreißig morgens

    Endlich haben Yared und Benyamin den Schutt des eingestürzten Ganges so weit abgetragen, dass ich den flachen Hang hinaufkriechen kann. Vorsichtig bewege ich mich auf dem Bauch durch den Spalt zwischen dem zerborstenen scharfkantigen Steinschutt und der Decke, die nur eine Elle über mir ist und auf der das Gewicht der Plattform des Felsendoms lastet. Mit dem beklemmenden Gefühl, das ich schon in der Genisa der versunkenen Synagoge in Al-Iskanderiya empfunden habe, schiebe ich mich vorwärts, um einen Blick in den verschütteten Gang zu werfen.
    »Was ist?«, drängt Benyamin ungeduldig. »Kannst du etwas erkennen?«
    »Der Gang führt weiter geradeaus und biegt dann nach links ab.«
    »Droht er einzustürzen?«
    Mit ausgestrecktem Arm halte ich die Fackel so weit wie möglich in den finsteren Stollen. Das Licht blendet mich. Ich ziehe sie zurück. »Sieht nicht so aus.«
    Langsam gleite ich weiter über die spitzen Steinsplitter und steige den Hang hinunter in den Korridor, der wenige Schritte weiter nicht aus Steinquadern gemauert, sondern aus dem Felsen Morija herausgeschlagen ist. Das eingestürzte Stück des Ganges verläuft offenbar durch eine Aufschüttung aus Bruchsteinen, die dem Druck der Plattform des Felsendoms nicht mehr standgehalten hat und in sich zusammengefallen ist. Der Felsengang kann nicht einstürzen – das hoffe ich zumindest.
    Steinsplitter kullern den Hang hinunter. Yared schiebt sich durch den freigeräumten Spalt, klettert über das Geröll hinunter und kommt zu mir herüber.
    Er umarmt mich. »Wie geht es dir?«
    »Abgesehen von einem akuten Anfall von Schatzsucherfieber?«, frotzele ich. »Pass auf, dass du dich nicht infizierst. Dieses Leiden ist unheilbar.«
    »Zu spät!« Lachend streicht er
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