Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied
Autoren: Roland Mueller
Vom Netzwerk:
feiner Hammer, ein paar Stichel und ein winziger Amboss, Werkzeuge, wie sie ein Goldschmied benutzt. Die Luft im Raum war warm. Aber hier war es nicht so schwül wie draußen auf der Straße.
    Der Mann humpelte auf das Bett zu und ließ sich dort nieder. Er blickte seine beiden Besucher lange an, bevor er sprach. »Ihr kommt wegen des Platzes, nicht wahr, Frau?«
    Eyleen nickte.
    Der Mann schien einen Moment zu überlegen, so als suche er nach Worten. »Frau, ich kann deinen Sohn nicht als Lehrling nehmen.«
    »Aber Ihr … Ihr habt’s versprochen … so sagte es der Bruder.«
    »Das war dumm von mir. Sieh dich um, ich habe selbst nichts.« Seine Hand beschrieb eine Kreisbewegung durch den ärmlichen Raum, während seine Stimme lauter wurde. »Das Haus ist voller Wasser. Trotz der Hitze steigt es noch immer aus der Erde. Es dringt durch alle Mauern. Riecht Ihr, wie es stinkt? Aber ich will nicht nur klagen. Seit langer Zeit ist dies der erste Sommer, in dem meine Knochen wieder trocken werden. Krank bin ich, Frau! Zu lange hab ich kein Wissen mehr vergeben. Viel zu lange. Wer sagt mir, dass er begabt ist, he?«
    Bei dieser Frage neigte er den Kopf ein wenig in Gwyns Richtung. Für einen Moment sah der Alte aus wie ein Raubvogel, der seine Beute noch einmal beäugt, bevor er sie kröpft.
    »Er ist begabt, Faber, er …«
    Der Alte begann zu lachen. »Wer sagt das? Du, Frau? Der Goldschmied ist ein Künstler. Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, das Wissen und die Kunst weiterzutragen. Zudem kostet’s Geld. Viel Geld für dich, Frau. So meine ich.«
    »Ich werde das Lehrgeld wohl aufbringen. Wenn Ihr nichts Unmögliches verlangt.« Ihre Stimme klang fest, als sie antwortete.
    Der Alte lachte nicht mehr. »Zwölf und einen halben Pence. Einmal zum Ende des Sommers und einmal zum Ende des Winters. Im ersten Jahr, wohlgemerkt! Dann 20 Pence. Im vierten Jahr jeweils zwei ganze Schillinge. So verlangt’s der Brauch«, antwortete der alte Mann.
    »… werd’s bezahlen«, flüsterte Eyleen.
    »Das ist viel Geld für dich. Kannst du eine Anzahlung aufbringen?«
    Die Frau nickte. Aus der Falte ihres Schurzes holte sie ein Stück Tuch. Als sie es aufgewickelt hatte, lag da ein kleines, goldenes Kreuz. Ein Stück Schmuck, wie es Frauen gerne an einer Kette um den Hals tragen. Es war ihr teuerster und gleichzeitig einziger Besitz von wirklichem Wert. Bert hatte es ihr vor vielen Jahren geschenkt. Dies hielt sie Fallen hin. Der betrachtete das Schmuckstück erst ungläubig, dann lachte er laut.
    »Weib!«, rief er spöttisch. »Davon kann ich kein Gran Gold oder Silber, kein’ Blutstein kaufen! Nehmt den Tand und geht jetzt!« Fallen ließ sich langsam in sein Bett zurücksinken und schloss die Augen. Das Gespräch hatte ihn ermüdet.
    Eyleen stand unbeweglich. Sie war unfähig, sich zu rühren, etwas zu sagen. Sie glaubte sich schon am Ziel ihrer Träume, als der Mönch schon vor Tagen mit Fallen gesprochen hatte. Der Alte hatte ihr fest versprochen, den Jungen zu nehmen. Zumindest willigte er ein, ihn zu prüfen, ob er das Zeug zu einem Goldschmied habe. Und jetzt sollte er es sich anders überlegt haben? Sie wusste nichts mehr zu sagen.
    »Herr, ich will das Handwerk lernen.«
    Fallen öffnete die Augen.
    Etwas in der Stimme dieses Jungen ließ ihn aufhorchen. Da war etwas, das er lange vermisst hatte, aber von dem er wusste, dass er es mochte. Wohl, weil es ihn an eine Zeit erinnerte, als er diesem Haus vorstand, er, der Meister Peter Fallen. Ein Handwerker und Künstler voll Zuversicht und Stolz. Eine Zeit, in der er glücklich gewesen war. Eine Weile betrachtete er prüfend den Jungen. Gwyn war groß gewachsen, von schlanker Statur. Das Haar fiel in braunen Locken bis auf die Schultern herab. Das Gesicht war mager. Ein wenig die Spuren des Hungers. Aber Peter Fallen sah auch ein selbstbewusstes, stolzes Auftreten. Für einen Moment glaubte er, sich selbst in jungen Jahren zu sehen.
    »Wie heißt du, Junge?«
    »Gwyn, Herr. Gwyn Carlisle. Sohn des Bert Carlisle.«
    »Wie alt bist du?«
    »13, Herr. Bald schon 14.«
    »Warum willst’ ein Goldschmied werden?«
    »Ich sah den Tafelbecher des Lords der Stadt, und …«
    » Du sahst den Becher?«, fragte Fallen ungläubig.
    »Ja, Herr! Bei der Messe zu Ehren des heiligen Elegius. Viele Faber aus London, York und Exeter waren da. Sie zeigten wundervolle Stücke ihrer Kunst …«
    Fallen hatte von diesen Meisterwerken gehört. Geschenke der Vereinigung der Faber von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher