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Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron
Autoren: Katia Fox
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würde.
    »Der Mantel ist schwer. Er drückt auf meinen Schultern«, sagte Henry leise, zupfte an dem Hermelinkragen und sah beschämt zu Boden.
    Guillaume nickte. »Ich weiß, mein Junge, aber du siehst großartig aus! Wie ein richtiger König!«
    Die Last des Mantels auf seinen Schultern war nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Last, die als König auf ihm ruhen würde.
    Lautes Rufen und Rumpeln dröhnten durch das geöffnete Fenster aus dem Hof hinauf und lenkten Guillaumes Aufmerksamkeit auf sich. Eine Krönung veranlasste stets hohe Ausgaben, die umgehend bezahlt werden mussten, darum warf er einen prüfenden Blick nach draußen, um sich zu vergewissern, dass es die bewaffnete Eskorte war, die er nach London geschickt hatte, um mehrere Kisten mit Silberpennys zu holen.
    Guillaume lächelte zufrieden, als er sah, dass die Männer kleine, aber offenbar schwere Eichentruhen mit starken Eisenbeschlägen und großen Schlössern abluden, und wandte sich wieder an Henry. Er betrachtete ihn mit väterlichen Gefühlen, denn er kannte den Jungen gut genug, um zu wissen, dass der Prinz ein liebenswerter, freundlicher Bursche war, der statt der Schwermutseines Vaters die Lebensfreude seiner Mutter geerbt hatte. So kurz vor der Krönung jedoch schien der Ärmste ein wenig verzagt.
    »Nicht mehr lange und du bist König!«, ermunterte Guillaume ihn und zwinkerte verschwörerisch.
    Er war seinem künftigen Herrn bis Malmesbury entgegengeritten, als man den Jungen von Devises nach Gloucester gebracht hatte, um ihn so rasch wie möglich zu krönen.
    Mit großen Augen hatte der Prinz ihn angesehen, als sie sich gegenübergestanden hatten, und sodann Gott angerufen. Mit bewegenden Worten hatte er ihn angefleht, dem Maréchal die Macht zu geben, ihn zu beschützen. Offenbar hatte man dem Knaben bereits gesagt, dass sein Vater ihn vor seinem Tod in Guillaumes Hände empfohlen hatte.
    Gerührt von Verzweiflung und Trauer im Blick des Jungen, aber auch von dem Vertrauen, das man in ihn setzte, hatte Guillaume sich verneigt.
    »Bei meiner Seele und von ganzem Herzen schwöre ich, alles in meiner Macht Stehende für Euch zu tun, mein Prinz, solange ich noch die Kraft dazu besitze«, hörte er sich sagen. Immerhin musste er inzwischen bald siebzig sein, und auch wenn er sich noch immer stark genug fühlte, um die Verantwortung für den Jungen zu übernehmen, so wusste er doch, dass auch er nicht ewig leben würde. Der Gedanke aber, den Prinzen noch ein wenig formen zu können, damit aus ihm einmal ein besserer König wurde als aus seinem Vater, und die Gelegenheit, noch eine Weile Einfluss auf die Geschicke des Landes zu haben, ließen Guillaume zuversichtlich in die Zukunft sehen.
    Gualo, der päpstliche Legat, der John die Letzte Ölung erteilt hatte, würde Henry in Vertretung des Erzbischofs von Canterbury, der sich in Rom aufhielt, hier in Gloucester zum König krönen, sobald Guillaume dem Prinzen die Schwertleite erteilt hatte, so wie einst seinem Onkel, Henry, dem jungen König.
    Eine Krönung, das hatte sich in Guillaumes Leben schon oft gezeigt, war stets der Auftakt zu einem neuen Anfang.

Caversham Manor in der Nacht
zum 14. Mai 1219
    G uillaume hatte geregelt, was zu regeln war, großzügig verteilt, was zu verteilen war, und seinen Letzten Willen erklärt. Nun war er bereit, den Gang aller Gänge anzutreten, umgeben von Menschen, die ihm wichtig waren, in Würde und mit Glanz. Nicht einsam und verarmt wie die Könige, denen er stets treu gedient hatte.
    Er schauderte. Das Kribbeln in seinem Nacken war stärker geworden. Es zog sich hinab bis in seine Lenden und verdrängte sogar die Schmerzen, die seine Eingeweide in immer kürzeren Abständen zu zerreißen drohten und seinen Atem in kurze, beschwerliche Stöße zerschnitten. Seine Zeit auf Erden war vorüber. Viele gute Jahre hatte er erleben dürfen. Er hatte Liebe und Freundschaft kennengelernt und Treue erfahren, so wie auch er treu gewesen war. Zum Regenten von England war er erklärt worden, nachdem John gestorben war. Er, der nachgeborene Sohn, der kaum Aussicht auf eine große Zukunft gehabt hatte. Mehr Glück, als er sich je erhofft hatte, war ihm zuteilgeworden. Ein Lächeln huschte über seine Seele. Fünf gekrönten Häuptern hatte er gedient, ganz so, wie die Alte in Köln es seinerzeit vorausgesagt hatte.
    Den goldenen Thron, den Thron Englands, zu schützen, das war seine Aufgabe gewesen. In seinen Händen hatte immer wieder das Schicksal des Landes und
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