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Der goldene Ring

Der goldene Ring

Titel: Der goldene Ring
Autoren: Julian May
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Eine zweite Flut wusch die Schulter der Aven-Halbinsel und floß mehrere Kilometer landeinwärts, bis sie an den Klippen versickerte. Das Wasser fing Überraschend jene, die noch in der Stadt waren, und die meisten von ihnen kamen um, einschließlich aller Ramapithecus-Sklaven, eine Handvoll ausgenommen.
    Amerie wäre aus dem Zimmer hoch oben auf dem Berg der Heroen gestürzt, wenn Häuptling Burke sie nicht gepackt und festgehalten hätte. Sie wehrte sich gegen ihn und schrie, bis sie erschöpft war und nicht mehr weinen konnte. Und dann kam Basil und hockte mit ihnen unter dem schrecklichen Fenster. Amerie wie auch der wetterharte alte Jurist verstanden das alte Gebet, das der frühere Akademiker flüsterte.
    »Elevaverunt flumina fluctus suos, a vodbus aquarum multarum. Mirabilis elationes maris. Mirabilis in altis Dominus.«
    Zusammen warteten sie auf Elizabeth.

12
    Die schrecklichen Geistesschreie, die an ihr vorüberzogen!
    Sie erreichten Elizabeth sogar in ihrem Feuerkokon. Die ersten vereinzelten Eindringlinge zu Beginn der Mêlée kamen wie zaghafte Tropfen, die einem Unwetter vorausgehen, und dann flogen ganze Schauer in steigender Zahl vorbei - Aufschreie, ängstlich und enttäuscht und wütend und eifrig. Es gab Pausen. Danach erhoben sich die Todesstürme von neuem und brausten um ihr Refugium. All diese entkörperlichten Geister, die außerhalb von Zeit und Raum zu dem Viele-in-Allem eilten, den sie ausgeschlossen hatte, und ein paar ganz wenige spannen ihren eigenen feurigen Kokon, um abseits von dem Strom dahinzutreiben, die Gemeinschaft zu leugnen, ihren eigenen verlorenen Weg zu verfolgen.
    Aber sie war nicht frei, dem Geistesfluß zu folgen. Sie war noch an die Erde verankert. Als die endgültige vernichtende Katastrophe eintrat, spürte sie den Schock sogar in ihrem Versteck und konnte nicht umhin, ihre geistigen Augen beobachten zu lassen. Zu benommen, um zu trauern, sah und hörte sie den Sturm vorüberziehen.
    Viele von ihnen waren Personen, die sie kannte. Und am Ende einer großen Sturmflut von Sterblichkeit kam eine, die ihr nur zu vertraut war. Bredes Geist berührte sie mit einer letzten Bitte. Und dann sah Elizabeth ein fremdes Ding, groß und leuchtend und liebend. Es kam seiner Gefährtin entgegen, eine Eskorte in unwiderstehliches Licht ...
    Elizabeth erwachte.
    Das Gesicht, das sich Über sie beugte, gehörte Schwester Amerie, und es hatte den verzerrten, gejagten Ausdruck, der sich ergibt, wenn keine Tränen mehr übrig sind.
    »Ich weiß«, sagte Elizabeth.
    Die Nonne streckte die Hand aus, berührte Elizabeths fest zusammengeballte Finger. »Da war - eine fremde Frau. Sie wußte, daß dies geschehen würde. Sie heilte uns. Brachte uns hierher zu dir. Und sie hatte eine Botschaft: >Sagt Elizabeth, daß sie jetzt frei ist, ihre eigene Wahl zu treffen.< Ich hoffe, du verstehst das.«
    Elizabeth setzte sich auf. Nach einem Augenblick war sie imstande, sich von dem Bett zu erheben und an das Fenster des natürlichen Bunkers zu gehen, wo Basil und Häuptling Burke standen, die ihre Augen von der Szene am Fuß des Berges nicht abzuwenden vermochten.
    Der helle Tag war angebrochen, und der von schweren Wolken bedeckte Himmel spendete ein graues, klägliches Licht. Die Weiße Silberebene und beide Zeltstädte und das weite Gebiet zernagter und funkelnder Sedimente, das Muriah einmal von den Klippen bis zum Lagunenufer gesäumt hatte, waren verschwunden. An ihre Stelle war ein Meer getreten. Es hatte die Farbe stumpfer Jade, und seine weißmützigen Wellen liefen nach Osten auf den fernen Horizont zu. Von dem starken Wind getrieben, krachten Brecher Über die Landspitze am Ende der Halbinsel, wo Bredes Haus gestanden hatte. Muriah war jetzt außer Reichweite der Wellen, doch zerschmetterte Häuser und Bäume und langsam trocknende Pfützen zeigten, wo die Flut den größten Teil der Hauptstadt verwüstet hatte.
    Jetzt bist du frei, deine eigene Wahl zu treffen!
    Draußen vor der Tür ihres Zimmers war Lärm. Elizabeths Geist nahm ein angstvolles Durcheinander von Gedanken wahr. Es war schwer - nahezu unmöglich wegen der unerträglichen emotionalen Aufladung - Tanu von Menschen zu unterscheiden oder diese von den Firvulag, die offenbar bei ihnen waren. Sie waren keine Herren und Sklaven mehr, nicht mehr Freunde und Feinde, sie waren nur noch Überlebende.
    »Ich meine, wir sollten jetzt nach draußen gehen«, sagte Häuptling Burke.

 
     
    Elizabeth nickte. Alle vier wandten sich vom
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