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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel
Autoren: Lucius Apuleius
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Ich klemme also flugs die Tür zu, schiebe die Riegel recht fest vor, stelle auch noch zur größeren Sicherheit mein Bett ganz dicht wider die Angeln und werfe mich hinauf. Die Furcht hielt mich erst eine lange Weile wach; endlich, um Mitternacht, fallen mir die Augen allgemach zu. Kaum war ich recht eingeschlafen, so wird auch mit einmal mit größerm Ungestüm, denn sich von Dieben erwarten läßt, die Tür eröffnet oder vielmehr gesprengt, und hulter pulter übern Haufen gerannt, daß die Angeln in Stücken zu Boden fallen. Mein Bett, ohnedies klein, dreibeinig und morsch, fliegt um und um und bleibt, da ich herausgepurzelt, umgestürzt über mir stehen. Da erfuhr ich, daß manche Affekte sich von Natur auf widersprechende Art äußern. Denn wie man oftmals vor Freude Tränen vergießt, so konnte ich mich auch jetzt bei meinem großen Schrecken des Lachens nicht erwehren, da ich so aus Aristomenes zu einer Schildkröte geworden. Wie ich aber auf der Erde unter meinem Bette hervorvigiliere, was es denn gibt, so seh ich zwei ziemlich betagte Mütterchen. Eine trägt eine helle Leuchte; einen Schwamm und einen bloßen Dolch die andere. In dem Aufzuge stehen beide am Bette des Sokrates, der in tiefem Schlafe lag. Die mit dem Dolche fängt an: ›Hier, Schwester Panthia, hier siehst Du meinen teuren Endymion, meinen Ganymed, der so Tag als Nacht meine Schwäche gemißbraucht hat, und der nun meine Liebe mit Füßen tritt, meinen guten Namen schändet und mich auf ewig fliehen will. Aber daß ich mich doch von diesem arglistigen Ulysses hintergehen ließe und wie eine zweite Kalypso um ihn in ewiger Sehnsucht und Einsamkeit weinte! Mag indessen,‹ fuhr sie fort, mit ausgestreckter Rechten der Panthia mich zeigend, ›sein feiner Ratgeber da, Aristomenes, der ihm die Flucht in den Kopf gesetzt hat, jetzt aber, dem Tode nahe, nach aller Länge unter dem Bett ausgestreckt liegt und hier nach uns herschielt, mag er doch immerhin wähnen, allenthalben meine Schmach auszuposaunen; er soll mir schon über lang oder kurz, vielleicht nur allzubald, ja wohl gar noch jetzt, den Augenblick, all seine angebrachten Spöttereien so wie seine gegenwärtige Keckheit schmerzlich genug bereuen!‹ –
    Als ich das hörte, brach mir der kalte Angstschweiß aus, und ich zitterte und bebte dergestalt unter meinem Bette, daß es auch nicht eine Minute ruhig stehen blieb, sondern unaufhörlich wie eine Stampfmühle schütterte und pochte.
    ›Ei,‹ sprach Panthia, ›warum kühlen wir denn nicht also unsern Mut an dem zuerst? Laß uns ihn, Schwester, wie Bacchantinnen in Stücke zerreißen oder binden und zum Verschnittenen machen!‹ – ›Keines von beiden!‹ versetzte Meroe (denn ich merkte an allem, daß es die war, von der Sokrates mir erzählte), ›er muß am Leben bleiben, um den Leib dieses Armseligen in ein wenig Sand zu verscharren.‹ – Hiermit kehrt sie den Kopf des Sokrates auf die Seite, senkt ihm den Dolch bis an das Heft in die Gurgel und fängt das hervorspritzende Blut so geschickt und sorgfältig in einem Schlauche auf, daß auch kein Tröpfchen danebenkommt. Das haben diese meine Augen gesehen. Nun fährt sie – um keinen von den Opfergebräuchen aus der Acht zu lassen, wie mir dünkt – mit der rechten Hand durch die Wunde bis zu den Eingeweiden hinunter, sucht darin herum und bringt dann das Herz meines armen Kameraden zum Vorschein, während der Zeit er aus abgeschnittener Kehle laut röchelt und seinen Geist mit dem strudelnden Blute aufgibt. Panthia aber stopft die Wunde, wo sie am weitesten voneinander steht, mit einem Schwamme zu und murmelt dabei: ›Schwamm, Schwamm, in dem Meere geboren, geh in dem Flusse verloren!‹ Dies getan, so schieben sie das Bett von mir hinweg, treten mit auseinandergesperrten Beinen über mich hin, und jetzt regnen sie so lange auf mich herab, bis sie mich durchaus in den garstigsten Bökel eingeweicht haben. Kaum verließen sie die Schwelle, so erhebt sich die Tür wieder und kehrt an ihren Ort zurück, die Angeln springen wieder in ihre Pfannen ein, die Haspen eilen den Pfosten zu und die Riegel schieben sich von selbst wieder vor. Ich aber bleibe, wie ich war, am Boden hingestreckt liegen, atemlos, splitternackt, eiskalt und nicht minder benetzt, als ob ich eben erst aus Mutterleibe gekrochen; da ich doch schier halb ausgelebt, ja mich selber schon ganz überlebt hatte und mit allem Fuge als ein After-Ich, wenigstens als ein wohlbestallter Galgenkandidat anzusehen war.
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