Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman
Autoren: Noam Shpancer
Vom Netzwerk:
Alex mit einer seiner Schwestern oder einer Tante und machte dann, sozusagen als Entschuldigung, verlegen einen Witz darüber. Er bestünde darauf, alles zu behalten, sagte Alex. Lehrbücher aus den Vierzigern, von denen er sich sicher war, dass die Universität sie noch brauchen konnte; Sofakissen mit aufgestickten Gänsen, Teekessel, wollene Armeedecken mit winzigen Mottenlöchern, Weihnachtsschmuck und Wandteller mit aufgedruckten Kinderliedern. Er weigerte sich, auch nur ein einziges Teil aufzugeben.
    » Er wollte einen Lagerraum mieten und dafür bezahlen, alles zu behalten « , sagte sie beinahe ehrfürchtig. » Er kann nicht alles mitnehmen, es ist nicht genügend Platz. Warum sollte er sein Geld für Lagerkosten verschwenden? «
    Meine eigenen Gefühle in dieser Angelegenheit waren gemischt. Es gelang mir nicht, ihre Freude über diese späte Offenbarung in ihrem Leben aus tiefstem Herzen zu teilen. Ich erinnerte mich, dass sie, als mein Vater immer stärker an Alzheimer erkrankte, nicht an sein Bett geeilt war, um ihm ihr Mitgefühl angedeihen zu lassen. Ich erinnerte mich, sagte aber nichts. Wenn man lange verheiratet ist, lernt man, sich schweigend zu erinnern, wie ein Afrikanischer Elefant. Andererseits war ich froh, dass sie eine Aufgabe gefunden hatte, die ihr etwas bedeutete und die sie erfüllte, eine Aufgabe, die echtes Gefühl in ihr weckte und ihre Zeit ausfüllte, von der sie jede Menge hatte, seit Sam aus dem Haus war. Ich freute mich für sie, doch es fiel mir nicht leicht; ich musste mir Mühe geben, die Augen zukneifen wie jemand, der ein am Horizont dahinsegelndes Schiff ausmachen will.

5
    Der erste Versuch
    I ch erwachte jäh aus meinem Sonntagnachmittagsschlaf und tastete nach dem Telefon.
    » Doktor David Winter? « , fragte eine höfliche weibliche Stimme.
    » Ja. Ja. «
    » Ich rufe aus dem Larsen P. Clark Hospital an « , sagte sie. » Hier wurde ein Patient eingeliefert, den wir als einen der Ihren identifiziert haben. «
    » Name? «
    » Barry Long. «
    Ich setzte mich augenblicklich auf. » Ich höre. «
    » Ein Autounfall. «
    » War er allein? «
    » Ja. «
    » Ist er gegen einen Baum oder eine Mauer geprallt? «
    » Gegen einen Baum. «
    » Ist er bei Bewusstsein? «
    » Ja. Körperlich ist er so weit unversehrt. «
    » Kann er sich orientieren? «
    » Ja und nein. Deshalb wurde er hierhergebracht, zur Beobachtung. Er hat nach Ihnen gefragt. «
    » Ich bin unterwegs. «
    Ich stand auf und zog mich um. Alex saß im Kinderzimmer unserer Tochter, das wir in ein Büro umgewandelt hatten, am Computer und war tief in die Planung unseres bevorstehenden Traumurlaubs auf den Turks- und Caicos-Inseln versunken.
    » Die Arbeit ruft « , sagte ich. » Ich bin eine Weile weg. «
    » Am Sonntag? « , fragte sie.
    » Ein Klient wurde ins Krankenhaus eingeliefert. «
    » Ah, gut. Fahr vorsichtig. « Sie klang zerstreut.
    Vor Jahren hat eine Studie ergeben, dass es sich bei vielen Unfällen, in die nur einzelne Fahrer und einzelne Autos verwickelt sind, höchstwahrscheinlich um Selbstmordversuche handelt. Daran dachte ich, als ich im Auto saß. Als ich auf den Parkplatz der Klinik einbog, stürmten Erinnerungen an meine Zeit als Praktikant auf mich ein. Das Gebäude ragte düster über der reifbedeckten Rasenfläche auf und warf einen feindseligen Schatten wie eine Festung, aschfarben, mit schmalen, vergitterten Fenstern.
    In den Fluren hing ein säuerlicher, kranker Geruch nach fauligem Obst, so bezeichnend für Heilanstalten. Das Personal eilte mit reflexhaftem Lächeln an mir vorbei. Ich erkannte niemanden. Hin und wieder tauchten Patienten in blauen Schlafanzügen auf und verschwanden wieder hinter Türen wie Geister. Ich dachte an Dr. Helprin, der, soviel ich wusste, immer noch da war, vergraben in seinem Büro im Keller. Dort tyrannisierte er seine jungen Assistenten, bis sie ihn wieder verließen – so wie ich –, um dann allein weiterzubrüten, seine Papiere hin- und herzuschieben und über den Niedergang im Laufe der Generationen und den Verlust der Zielstrebigkeit zu fluchen. Es war Jahre her, seit ich zum letzten Mal vorbeigekommen war, um ihn zu besuchen. Ich dachte, dass ich bei Gelegenheit wieder einmal nach dem alten Knaben sehen sollte, um wie früher mit ihm in der Cafeteria ein Chili zu essen und seinen nur zum Teil scherzhaft gemeinten Zorn darüber, dass ich mich gegen ein Leben im Namen der Wissenschaft entschieden hatte, über mich ergehen zu lassen.
    Als ich zu Barry Long
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher