Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
Einfluss würde der Tempel eine Stätte des Friedens werden, wie sein Gründer es beabsichtigt hatte.
    »Ich verlasse dich nicht«, sagte er leise. »Ich werde nur auf eine andere Art und Weise bei dir sein.«
    Ich fand keine Worte, die meine Dankbarkeit ausgedrückt hätten. Er hatte meinen Konflikt vollkommen verstanden und unternahm auf diese Weise den ersten Schritt, um ihn zu lösen. Ich konnte nichts anderes tun, als ihm zu danken und ihn ziehen zu lassen.
    Kenji, stillschweigend unterstützt von Chiyo, protestierte heftig gegen meinen Entschluss zu reisen und war der Meinung, ich würde das Unglück geradezu herausfordern, wenn ich mich vor meiner vollständigen Genesung auf eine solche Reise begab. Ich fühlte mich mit jedem Tag besser und meine Hand war fast verheilt, obwohl meine abgetrennten Finger noch immer zu schmerzen schienen. Ich haderte mit dem Verlust meiner Geschicklichkeit und versuchte meine linke Hand an das Schwert und den Pinsel zu gewöhnen. Wenigstens ein Pferd konnte ich mühelos mit der Linken lenken, und ich fand, es ginge mir gut genug um zu reiten. Meine Hauptsorge war, dass ich eigentlich beim Wiederaufbau von Hagi gebraucht wurde, doch Miyoshi Kahei und sein Vater versicherten mir, sie würden ohne mich zurechtkommen. Kahei und der Rest meiner Armee waren zusammen mit Makoto durch das Erdbeben aufgehalten worden, jedoch unverletzt geblieben. Ihre Ankunft hatte die Anzahl unserer Truppen stark vermehrt und den Wiederaufbau der Stadt beschleunigt. Ich wies Kahei an, so schnell wie möglich Botschaften nach Shuho zu schicken, um Shiro, den Zimmermannsmeister, und seine Familie zu bitten, wieder zum Clan zurückzukehren.
    Schließlich gab Kenji nach und sagte, dass er mich trotz der beträchtlichen Schmerzen, die seine Rippenbrüche ihm bereiteten, natürlich begleiten würde, seit ich meine Unfähigkeit bewiesen hätte, indem ich noch nicht einmal allein mit Kotaro fertig geworden wäre. Ich sah ihm seinen Sarkasmus nach und war froh, ihn bei mir zu haben, und auch Taku nahmen wir mit, der nicht zurückbleiben sollte, solange sein Gemütszustand immer noch so schlecht war. Er und Hiroshi stritten wie eh und je, aber Hiroshi war geduldiger geworden und Taku hatte einiges von seiner Arroganz abgelegt; ich sah, dass sich zwischen den beiden eine echte Freundschaft zu entwickeln begann. Ich nahm außerdem so viele Männer mit, wie wir in der Stadt entbehren konnten, und ließ sie unterwegs in kleinen Gruppen zurück, damit sie beim Wiederaufbau der zerstörten Dörfer und Höfe halfen. Das Erdbeben hatte von Norden nach Süden eine Schneise geschlagen und wir folgten ihrem Verlauf. Es war kurz vor der Wintersonnenwende; trotz aller Verluste und der Zerstörung bereiteten die Menschen sich auf das Neujahrsfest vor; dann würde ihr Leben von neuem beginnen.
    Die Tage waren kalt, aber klar, die Landschaft wirkte kahl und winterlich. Alle Farben waren grau und verwaschen, und aus den Sümpfen riefen die Schnepfen. Wir ritten direkt nach Süden und abends versank die Sonne rot glühend im Westen, der einzige Farbtupfer in einer blassen Welt. Es gab empfindlich kalte Nächte mit großen Sternen, und jeden Morgen war die Landschaft von einer weißen Frostschicht überzogen.
    Ich merkte, dass Makoto mir etwas verheimlichte, konnte jedoch nicht sagen, ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht war. Mit jedem Tag war ihm mehr anzusehen, dass ihn irgendetwas Bevorstehendes innerlich erregte. Meine eigene Verfassung war nach wie vor unausgeglichen. Ich freute mich Shun wieder zu reiten, doch die Kälte und die Anstrengungen der Reise, zusammen mit den Schmerzen und der Unbrauchbarkeit meiner Hand, erschöpften mich mehr, als ich es erwartet hatte. Des Nachts erschien mir die Aufgabe, die vor mir lag, viel zu gewaltig, als dass ich sie je erfüllen könnte, erst recht ohne Kaede.
    Am siebten Tag erreichten wir Shirakawa. Der Himmel hatte sich bezogen und die ganze Welt schien grau zu sein. Kaedes Zuhause war eine verlassene Ruine. Das Haus war heruntergebrannt; außer einigen verkohlten Balken und einem Haufen Asche war nichts übrig geblieben. Es bot einen unbeschreiblich traurigen Anblick. Genau so würde wohl auch Lord Fujiwaras Residenz aussehen. Die böse Vorahnung quälte mich, dass Kaede tot war und Makoto mich zu ihrem Grab führte. Ein Raubwürger schalt uns von einem verkohlten Baumstamm am Tor und in den Reisfeldern suchten zwei Ibisse nach Futter, ihr rosafarbenes Gefieder leuchtete in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher