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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry
Autoren: Paul Gallico
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nur für eine kurze Zeit sein könnte, bis ich mich ganz eingelebt habe.»
    Ein Schweigen folgte, währenddessen Henrietta Schreiber über den Tisch hinweg Ada Harris ansah und Ada Harris über die leeren Teetassen hinweg Henrietta Schreiber anblickte. Sie sagten beide kein Wort. Es wäre nicht möglich gewesen, mit einem dem Menschen bekannten wissenschaftlichen Präzisionsinstrument annähernd genau festzustellen, welcher von ihnen zuerst die große Idee gekommen war. Aber man darf wohl annehmen, die Groschen fielen bei beiden im gleichen Augenblick. Sie schwiegen jedoch beide weiter.
    Schließlich stand Mrs. Harris auf, räumte das Teegeschirr ab und sagte: «Nun, es wird wohl Zeit, daß ich an die Arbeit gehe.»
    Und Mrs. Schreiber sagte: «Ich werde jetzt wohl anfangen müssen, das auszusortieren, was ich mitnehmen will.» Und so machte sich jede an ihre Arbeit. Wenn sie sonst in der Wohnung zusammen waren, schwatzten sie, oder vielmehr Mrs. Harris tat es, und Mrs. Schreiber hörte zu. Aber diesmal arbeitete die Weine Putzfrau in nachdenklichem Schweigen, und das gleiche tat Mrs. Schreiber.

    Als am Abend Mrs. Harris und Mrs. Butterfield gemütlich zusammensaßen, sagte Mrs. Harris: «Halt dich fest, Vi. Ich muß dir etwas sagen. Wir fahren nach Amerika.»
    Mrs. Butterfields Entsetzensschrei hallte so laut durch die Gegend, daß sich Türen und Fenster öffneten, weil man wissen wollte, woher er kam. Nachdem Mrs. Harris sie wieder beschwichtigt hatte, rief ihre Freundin: «Hast du den Verstand verloren? Sagtest du, wir fahren nach Amerika?»
    Mrs. Harris nickte selbstgefällig. «Ich habe dich ja gewarnt, du solltest dich festhalten. Mrs. Schreiber wird mich bitten, mit ihr mitzukommen, bis sie sich in ihrer neuen Wohnung in New York eingelebt hat. Ich werde ihr sagen, ich bin gern dazu bereit, aber nur, wenn sie dich als Köchin mitnimmt. Wir werden zusammen Klein-Henrys Vater suchen!»

    Als Mr. Schreiber an diesem Abend nach Hause kam, brach Henrietta ihr langes Schweigen mit den Worten: «Joel, sei nicht ärgerlich, aber ich habe eine vollkommen verrückte Idee.»
    In seinem augenblicklichen Wohlbefinden vermochte Mr. Schreiber nichts zu ärgern, und so sagte er: «Nun, Liebste, was ist es denn?»
    «Ich will Mrs. Harris bitten, mit uns nach New York zu kommen.»
    Mr. Schreiber war zwar nicht ärgerlich, aber er war bestimmt verblüfft. «Was?» sagte er.
    «Nur für ein paar Monate vielleicht, bis wir eingelebt sind und ich jemanden finden kann. Du ahnst ja gar nicht, was für ein Prachtstück sie ist und wie sie die Wohnung in Ordnung hält. Sie weiß, wie ich es haben will. Ach, Joel, ich würde mich so... geborgen fühlen.»
    «Aber würde sie denn mitkommen?»
    «Das weiß ich noch nicht», erwiderte Henrietta, «aber — ich nehme es an. Wenn ich ihr viel Geld böte, müßte sie es doch tun, und vielleicht tut sie es sogar, nur weil sie mich gern mag, wenn ich sie darum bitte.»
    Mr. Schreiber machte einen Augenblick ein zweifelndes Gesicht und sagte: «Eine waschechte Londoner Putzfrau in einer Park-Avenue-Wohnung?» Aber dann fügte er milde hinzu: «Wenn es dir ein Trost ist, Kind, dann tue es. Von jetzt an sollst du alles haben, was du haben möchtest.»

3

    Genau vierzehneinhalb Stunden, nachdem Mrs. Harris zu Mrs. Butterfield gesagt hatte, Mrs. Schreiber werde ihr vorschlagen, mit ihr nach Amerika zu fahren, geschah es. Kaum daß Mrs. Harris am nächsten Morgen die Wohnung betreten hatte, machte Mrs. Schreiber ihr den Vorschlag, den sie begeistert annahm, wenn auch unter einer Bedingung — nämlich, daß Mrs. Butterfield mit von der Partie sein müsse und zu dem gleichen Lohn, den Mrs. Harris selber bekommen sollte.
    «Sie ist meine älteste Freundin», erklärte Mrs. Harris. «Ich bin in meinem Leben nie länger als eine Woche von London weg gewesen. Wenn ich sie bei mir hätte, würde ich mich nicht so einsam fühlen. Außerdem ist sie eine ganz vorzügliche Köchin — sie hat für einige der besten Häuser gekocht, bevor sie die Ganztagsstellungen aufgegeben hat. Sie können den alten Sir Alfred Welby fragen, wem er seine Gicht zu verdanken hat.»
    Mrs. Schreiber war fast außer sich vor Freude über die Aussicht, in den ersten Monaten nach ihrer Rückkehr in die Vereinigten Staaten nicht nur Mrs. Harris um sich zu haben, sondern zugleich mit ihr eine gute Köchin zu bekommen, die mit der kleinen Putzfrau gut auskam und sie davor bewahrte, sich zu einsam zu fühlen. Sie kannte Mrs.
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