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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry
Autoren: Paul Gallico
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eventuellen Präsidenten der Firma geeinigt.
    Dem Kabel das Schreiber an diesem Nachmittag in seinem Büro erreichte, folgten lange Ferngespräche, Wunderkonferenzgespräche, die Ozeane und Kontinente umspannten, bei denen fünf Männer — einer in London, zwei in Kalifornien, zwei in New York — jeder an einem Telefon saßen und sich miteinander unterhielten, als befänden sie sich alle in einem Raum. Und als Mr. Schreiber, ein untersetzter, kleiner Mann mit klugen Augen, am frühen Abend nach Hause zurückkehrte, platzte er geradezu vor Erregung und Neuigkeiten.
    Er konnte es nicht bei sich behalten. Schon beim Eintreten in die Wohnung sprudelte er alles mit einemmal heraus. «Henrietta, ich habe eine große Neuigkeit für dich. Eine wirkliche Neuigkeit. Ich bin Präsident der Nordamerikanischen Film- und Fernsehgesellschaft geworden. Sie verlegen ihre Büros nach New York. Wir müssen in zwei Wochen hinüberfahren. Wir werden eine große Wohnung in der Park Avenue bekommen. Die Firma hat schon eine für mich gefunden, eine prächtige, zweigeschossige. Ich bin jetzt der große Boss, Henrietta. Was sagst du dazu?»
    Sie waren ein hebevolles und zärtliches Paar, und so umarmten sie sich erst einmal, und darauf tanzte Mr. Schreiber mit Henrietta eine Weile durch die Wohnung, bis sie ganz außer Atem war.
    «Du hast das verdient, Joel», sagte sie. «Sie hätten das schon langst tun müssen.» Dann trat sie, um sich zu beruhigen und ihre Gedanken zu sammeln, ans Fenster und blickte auf den stillen belaubten Eaton Square hinaus, und mit einem Stich im Herzen dachte sie, wie sehr sie sich an dieses ruhige Leben gewöhnt hatte, wie sehr sie es liebte und wie sehr ihr davor graute, wieder in den Wirbel und das Wahnsinnstempo von New York zurück zu müssen.
    Mr. Schreiber ging erregt in der Wohnung auf und ab. Er brachte es nicht fertig, sich zu setzen, da Dutzende neuer Gedanken, Einfälle, Ideen, die mit seiner neuen großartigen Position zusammenhingen, ihm durch den runden Kopf schossen. Dann blieb er plötzlich stehen und sagte: «Wenn wir einen Sohn hätten, Henrietta, müßte er dann nicht in diesem Augenblick auf seinen Alten Herrn stolz sein?»
    Diese Bemerkung traf Henrietta wie ein Pfeil ins Herz. Sie wußte, es sollte kein Vorwurf sein — das paßte nicht zu ihrem Mann—, es war ihm über die Lippen gekommen, weil er sich schon lange danach sehnte, nicht nur Ehemann, sondern auch Vater zu sein, und jetzt, da er über Nacht «jemand» geworden, war es nur allzu verständlich, daß dieses Verlangen stärker wurde. Als sie sich von dem Fenster abwandte, hingen ihr Tränen in den Augenwinkeln, und sie konnte nur sagen: «Ach, Joel, ich bin so stolz auf dich!»
    Da wurde ihm plötzlich bewußt, daß er sie verletzt hatte, und er ging auf sie zu, legte seinen Arm um ihre Schultern und sagte: «Henrietta, sei nicht traurig, ich habe es nicht so gemeint, wie es klang. Du brauchst nicht zu weinen. Wir sind ein sehr glückliches Paar, und wir spielen jetzt eine große Rolle. Denke an die wundervollen Zeiten, die wir in New York erleben werden, und an die Dinnerparties, die du für all die berühmten Leute geben wirst. Du wirst wirklich , wie es in dem Liede heißt.»
    «Ach Joel», rief Henrietta. «Es ist so lange her, seit wir in Amerika oder New York gelebt haben — ich fürchte mich davor.»
    «Pah», tröstete sie Mr. Schreiber. «Wovor brauchst du dich zu fürchten? Es wird herrlich für dich werden, und du wirst alles wunderbar machen. Wir sind jetzt reich, und du kannst so viele Dienstboten haben, wie du willst.»
    Aber das gerade eben bekümmerte Mrs. Schreiber, und es bekümmerte sie auch noch am nächsten Morgen, lange nachdem Mr. Schreiber auf einer rosa Wolke in sein Büro entschwebt war.
    Ihre verwirrte und erregte Phantasie sah die ganze riesige Schar von internationalen Schlampen, Bummlern, Faulpelzen und Nichtsnutzen vor sich, die ihre Dienste als «ausgebildetes Personal» anboten. Ein Zug von slowakischen, litauischen, bosnischen Butlern oder Dienern mit schmutzigen Fingernägeln, vom Zigarettentabak gelb gefärbten Fingern, die einmal bei ihr gearbeitet hatten, marschierten an ihr vorüber, und alle ließen die Asche ihrer ewigen Zigarette auf die Teppiche hinter sich fallen. Sie hatte mit ochsenstarken Schweden, ebenso kräftigen Finnen, dreisten Deutschen, faulen Iren, noch fauleren Italienern und undurchsichtigen Orientalen zu tun gehabt.
    Nachdem ihr die Ausländer
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