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Der Geschmack von Apfelkernen

Der Geschmack von Apfelkernen

Titel: Der Geschmack von Apfelkernen
Autoren: Hagena
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ihm verband. Mira blickte auf seinen Mund, den Rosmaries Mund berührt hatte. Viel zu spät merkte Peter Klaasen, dass Mira noch Jungfrau war, aber vielleicht wollte er es auch nicht früher merken. Er fuhr sie nach Hause, sie war blass und sagte kein Wort. Als Peter Klaasen zurück in sein Zimmer kam, fiel sein Blick auf den Brief mit dem Stellenangebot in der Nähe von Wuppertal. Als es eintraf, hatte er es nicht einmal in Erwägung gezogen. Doch jetzt war nichts mehr so wie vorher. Noch in derselben Nacht schrieb er zurück und sagte zu. Eine Woche später zog er nach Wuppertal. Mit Inga sprach er nie mehr ein Wort.

    Mira wurde schwanger. Vom ersten Mal. Dabei hasste sie Peter Klaasen. Und er war sowieso schon lange fort. Sie erzählte es Rosmarie, als sie in der Küche saßen und Apfelsaft tranken. Es war alles so wie immer, der Apfelsaft, die rote Wachstuchdecke, und zugleich war nichts mehr wie vorher.
    Rosmarie sagte:
    - Du hast es wegen mir getan, stimmt’s?
    Mira schaute sie nur an. Rosmarie sagte zu Mira:
    - Lass es wegmachen.
    Mira blieb stumm und schüttelte den Kopf.
    - Lass es wegmachen, Mira, sagte Rosmarie. Du musst.
    Mira schüttelte den Kopf. Sie schaute Rosmarie an. Das Weiße zwischen dem unteren Lid und der braunen Iris war zu sehen.
    - Mira. Du musst. Du musst!
    Und Rosmarie lehnte sich über den Küchentisch und küsste Mira hart auf den Mund. Der Kuss dauerte lang. Beide keuchten, als Rosmarie sich wieder hinsetzte. Mira sagte immer noch nichts, ihr Gesicht war jetzt sehr weiß, und sie hatte aufgehört, den Kopf zu schütteln. Sie starrte Rosmarie an. Rosmarie schaute zurück, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber dann legte sie den Kopf in den Nacken und lachte.

    Rosmarie lachte auch, als sie es mir an jenem Abend erzählte. Es war August, das Ende meiner Sommerferien nah. Obwohl es schon nach zehn Uhr war, war es noch nicht ganz dunkel, als sie nach oben kam. Wir saßen auf der breiten Fensterbank unseres Zimmers, das einst das Mädchenzimmer ihrer Mutter gewesen war. Harriets Arbeitszimmer lag nebenan. Als Schlafzimmer nahm sie inzwischen das zweite Esszimmer, gleich neben der Eingangstür. So konnte sie besser hören, ob Bertha unten herumlief.
    Ich fragte Rosmarie:
    - Wann habt ihr darüber gesprochen? Gerade eben?
    - Nein, schon vor ein paar Tagen.
    - Und gerade eben? Warst du da bei Mira?
    Rosmarie nickte kurz und wandte sich ab.
    Ich fror, und mir fiel auch nichts ein, was ich nochhätte sagen sollen. Mein Gehirn war völlig leer. Vielleicht hoffte ich auch, dass Rosmarie gelogen hatte, um sich für den Streit heute im Garten zu rächen, als wir zu dritt »Friss oder stirb« gespielt hatten. Schließlich trug ich ihr auch noch die Ohrfeige nach. Doch im Grunde wusste ich, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Am liebsten wäre ich zu meiner Mutter gelaufen und hätte ihr alles erzählt, aber das ging nicht. Jetzt nicht mehr. Kurz darauf gingen wir noch einmal hinunter, um gute Nacht zu sagen. Inga war auch da. Die drei Schwestern und ihre Mutter saßen im Wohnzimmer. Inga und Rosmarie sprachen nicht mehr viel miteinander seit der Sache mit Peter Klaasen. In dieser Nacht jedoch stand Inga auf und stellte sich vor ihre Nichte. Sie waren inzwischen beide gleich groß. Inga hob beide Arme und strich mit einer fließenden Bewegung ihre Hände von Rosmaries Scheitel über ihre offenen Haare, seitlich die Arme entlang. Durch den ganzen Raum hörten wir das elektrische Knistern. Rosmarie bewegte sich nicht. Inga lächelte.
    - So. Und nun schlaf gut, Kind.
    Schweigend gingen wir hinauf. In dieser Nacht erzählten wir uns keine Geschichten über Rosmaries Vater. Ich drehte Rosmarie den Rücken zu und versuchte einzuschlafen, indem ich mir vornahm, am nächsten Tag doch noch alles meiner Mutter zu erzählen. Schlaf kam nur langsam, aber schließlich kam er.
    Ich träumte, dass Rosmarie hinter mir stehe und auf mich einflüstere, und irgendwann wachte ich auf. Rosmarie kniete hinter mir auf dem Bett und flüsterte auf mich ein:
    - Iris, bist du wach? Iris. Wach auf. Bist du wach, Iris? Iris. Komm schon. Wach endlich auf. Los. Iris. Bitte.
    Ich dachte nicht daran, schon wieder wach zu sein.Rosmarie hatte sie wohl nicht mehr alle. Erst schlug sie mich im Garten, dann machte sie all diese Dinge mit Peter Klaasen und mit Mira. Und Mira machte sie mit Peter Klaasen. Und ich wollte das alles nicht wissen. Sie sollten mich in Ruhe lassen.
    Rosmaries Wispern wurde noch drängender, fast
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