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Der Geschmack von Apfelkernen

Der Geschmack von Apfelkernen

Titel: Der Geschmack von Apfelkernen
Autoren: Hagena
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er auch nicht mehr. Eigentlich müsste er kaputter aussehen, dachte ich und suchte sein Gesicht nach Spuren ab. Max beobachtete mich dabei und kniff die Augen zusammen.
    - Und? fragte er. Was gefunden?
    Ich schämte mich.
    - Wieso? Was meinst du?
    - Na, ich sehe doch, dass du gerade darauf lauerst, Indizien zu finden, um mich als Co-Abhängigen zu überführen.
    Jetzt wurde ich sehr rot. Das konnte ich fühlen.
    - Du bist bescheuert.
    - Also, ich würde es an deiner Stelle tun.
    Er zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck. Ich fragte vorsichtig:
    - Warum solltest du denn trinken wollen?
    - Was willst du denn hören? Soll ich sagen: »um zu vergessen«, hm?
    Ich biss mir auf die Innenseite der Backentaschen und schaute weg. Ich wollte plötzlich, dass er nach Hause ging. Ich wollte morgen früh das Erbe ausschlagen und auch nach Hause gehen. Ich wollte das hier jetzt nicht. Ich wollte auch nicht mehr reden. Er sollte weg.
    Max fuhr sich wieder mit der Hand über das Gesicht.
    - Es tut mir leid, Iris. Du hast recht, ich bin bescheuert. Ich wollte dir nicht wehtun, dir am allerwenigsten. Es ist nur, ich hatte mich hier gut eingerichtet. In meinem Leben, meine ich. Mir fehlte nichts. Es war nicht aufregend, aber ich will es auch nicht aufregend. Ich wollte es nicht. Ich wollte es unaufgeregt. Ohne Überraschungen. Ich kriege das alles gut hin, ich tu keinem weh, keiner tut mir weh. Ich bin für niemanden verantwortlich, niemand für mich. Ich breche keinem das Herz und keiner mir. Und dann kommst du wieder hierher, nach weiß ich wie vielen Jahren. Du tauchst überall auf – und ich meine das mit dem Tauchen wörtlich –, und ich bekomme jedes Mal einen Riesenschrecken. Und wahrhaftig, ich beginne, mich auch noch darüber zu freuen! Und das, wo ich doch weiß, dass du in zwei Tagen wieder weg bist, vielleicht für immer. Und jetzt kann ich nicht mehr schlafen, nicht mal mehr zum Schwimmen kann ich fahren, ohne wegen akuter Herzrhythmusstörungen vom Fahrrad zu fallen. Verdammt: Ich male nachts Hühnerställe an! Da frage ich dich doch: Kann es noch schlimmer kommen?
    Ich musste lachen, aber Max schüttelte den Kopf:
    - Nein. Neineineineinein. Spar dir das. Was willst du eigentlich?
    Die Sonne war fast weg. Von dort, wo wir saßen, konnten wir die Linden vorne auf der Einfahrt sehen. Das letzte grüngoldene Licht zitterte in ihren Blättern.

    Als Mira damals in der Einfahrt stand und dabei zusah, wie Inga dabei zusah, wie Rosmarie Peter Klaasen auf den Mund küsste, verschüttete sie die ganze Limonade. Sie stellte die beiden Gläser, ihres und das für Rosmarie, neben sich ins Gras und biss sich mit den Zähnen ihres kleinen roten Mundes in den Rücken der rechten Hand, bis er blutete. Rosmaries Augen glänzten silbrig, als sie mir das erzählte.
    Mira ging am Tag nach dem Kuss zur Tankstelle und wartete so lange, bis Peter Klaasen freihatte. Er hatte sie längst gesehen und wollte nicht mit ihr reden. Er quälte sich mit Vorwürfen und traute sich nicht, mit Inga zu sprechen, aus Angst, sie könnte ihm endgültig verlorengehen. Rosmarie hatte ihn einfach überrumpelt. Er wollte nichts von ihr, er wollte Inga.
    Mira lehnte an seinem Wagen, als er einsteigen und nach Hause fahren wollte. Sie sagte, er solle sie ein Stück mitnehmen, sie wisse etwas, das ihn interessieren könne, es habe mit Inga zu tun. Was konnte er anderes tun, als ihr die Beifahrertür zu öffnen? Wir fahren zu dir, hatte Mira bestimmt, er nickte. Dort ließ er sie in sein Zimmer. Mira setzte sich auf sein Sofa und sagte ihm, was er schon wusste: Inga habe gesehen, wie er Rosmarie geküsst habe, und wolle, dass er nie wieder ins Haus komme, weder für Nachhilfestunden noch für sonst irgendwelche Treffen. Inga habe weiter gesagt, es gebe kaum einen Menschen,den sie tiefer verachte, als den Verführer seiner minderjährigen Nachhilfeschülerin. Peter brach zusammen. Er lehnte seinen Kopf auf den Tisch und weinte. Mira sagte nichts. Sie schaute ihn an mit diesen Augen, die aussahen, als lägen sie verkehrt herum im Kopf, und dachte an Rosmarie. Dachte daran, dass Rosmarie diesen Mann geküsst hatte. Also öffnete sie ihr schwarzes Kleid. Peter Klaasen schaute sie an, ohne sie zu sehen. Mira trug einen schwarzen BH, ihre Haut war sehr weiß. Sie öffnete sein Hemd, doch er merkte es kaum. Als Mira ihm die Hand auf die Schulter legte, dachte er an Inga und daran, dass dieses seltsame schwarz-weiße Mädchen vor ihm das Letzte war, das Inga mit
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