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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt
Autoren: Frank Bill
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der geschmeidige, mit Cola gemischte Bourbon seine Kehle benetzte. Er senkte das schwitzende Glas. Zog seine orangefarbenen Brauen zusammen. Lächelte. »Klar, Süße, du weißt ja, wo es ist.«
    Er stellte das Glas in die Spüle und kam hinter der auf Kirschholz getrimmten Küchentheke hervor. Sein überparfümierter Körper folgte den wogenden Bewegungen von Liz’ Arsch über die elfenbeinfarbenen Küchenfliesen und das schokoladenbraun gebeizte Parkett im Eingangsbereich. Er fürchtete, bei der Überlegung, ob sie wohl ein Höschen trug, zu explodieren. Welche Farbe hatte es? Ob wohl rosa Elefanten oder blaue Delfine aufgedruckt waren? Das waren seine liebsten. Er erinnerte sich daran, dass sie sich untenrum rasierte. Dann gingen in seinem Tagtraum die Lichter aus.
    *
    Das Gesicht des Mannes war vernarbt und auf einer Seite von Flammen verheert. Die Haare waren zurückgeharkt und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Farbgravierte Namen bedeckten seine Haut wie Zeitungsschlagzeilen. Er war ein Kämpfer, zumindest gewesen. Ein Mann, der dem Leben abzuringen versuchte, was er konnte. Er war hart und gnadenlos. Dann verlor sich das Bild. Purcell lag in seiner aus Seilen geflochtenen Hängematte. An der rechten Hand baumelte eine Zigarette. Bäume boten ihm Schatten. »Ballad Of The Crimson Kings« von Ray Wylie Hubbard knisterte aus einem CD-Player auf Purcells Veranda durch die warme Brise. Gezupfte Gitarre und Banjo. Bilder von Jarhead durchströmten seine Adern wie Adrenalin. Dann tauchte das Gesicht eines anderen Mannes auf, der Knox hieß, Miles Knox. Er und der junge Jarhead hätten Zwillinge sein können, nur nicht, was das Alter betraf. Bis zu diesem Moment war Purcell nicht aufgegangen, wie sehr sie einander glichen. Er kannte den Mann nicht persönlich. Aber ihre Wege hatten sich schon bei Anlässen gekreuzt, wo Schnaps und Gerüchte kreisten.
    Als er die Augen schloss, sah Purcell eine Frau, in der Faust eine Pistole, die sie anstarrte. In der anderen Hand hielt sie ein Bild des Mannes, den sie verlassen, vor dem sie weggelaufen war – es war Knox, als junger Mann. Sie hob die Pistole, schmeckte den metallenen Lauf, und dann übersäte Gehirnmasse und Kopfhaut die Wand hinter ihr. Jeder Muskel in Purcells Körper verkrampfte, blockierte. Er wusste, die Frau war Jarheads Mutter.
    Er kletterte aus der Hängematte, zertrat das Gras unter sich, griff nach dem schwitzigen Glas. Eis rührte die Flüssigkeit durch, die die Farbe von Melasse hatte. Er trank aus. Wollte, dass sich die Gedanken, die Visionen beruhigten. Aber das taten sie nicht. Jarhead war unterwegs. Es war Nacht. Wo er war, gab es Ärger. Purcell spürte es. Dann kamen die farbigen Lichtblitze, und die Bilder in Purcells Kopf lösten sich auf. Purcell wusste nicht, wo Jarhead war. Aber er wusste, er kam näher.
    *
    Sie standen draußen bei Ned Newtons 78er-Chevy-Pick-up mit seiner zerbröckelnden orangenfarbenen Ladefläche und der blau-weißen Front. Ned wollte den Bullen nicht in sein verbeultes, blechverkleidetes Haus mit dem verdammten Schrägdach bringen. Eine tropfende Klimaanlage hing aus einem der Fenster und hustete Freon in das so genannte Wohnzimmer, in dem leere Tütchen mit Spuren von Crystal auf Fußboden und Couchtisch verstreut herumlagen.
    Sheriff Whalen verbarg sich hinter einer dunklen Pilotenbrille, die Lippen ebenso trocken wie seine gekünstelten Worte. »Tut mir leid, das sagen zu müssen, Ned. Ich weiß, dass du früher mit den beiden zu tun hattest. Habe gehofft, du wüsstest vielleicht, mit wem sie jetzt so rumhängen.«
    Neds teigige Zunge fuhr über Zähne mit Schildpattmuster. Glitt wieder und wieder darüber. Das geschwollene Gewebe über seinen Augen ließ diese wie herausgelöffelt aussehen, während er sich so in Whalens verglastem Blick spiegelte.
    »Keine Ahnung, die beiden sind vom Pfad der Erleuchtung abgekommen. Wäre früher oder später eh passiert.«
    Whalen räusperte sich, wusste, dass Ned ein hinterhältiges Stück Scheiße war. Der sich seinen Knasturlaub allerdings erst noch verdienen musste. Aber früher oder später würde es so weit sein.
    »Niemand hat einen solchen Tod verdient. Die Haut knusprig angebraten. Jeweils eine Kugel im Kopf.«
    Die feuchte Samstagabendluft sorgte dafür, dass Neds dünner werdendes, spinnenbeiniges Haar sich auf dem buttrigen Scheitel aufstellte. »Hast du mit irgendjemand sonst gesprochen?«, fragte er.
    »Poe, drüben in der Leavenworth Tavern, wo sie immer
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