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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt
Autoren: Frank Bill
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entlang der Highways und Nebenstraßen Schneisen der Verwüstung hinterlassen, bis sie diejenigen fand, die ihr den Vater genommen hatten und den Leuten ihren Zufluchtsort, den er für sie erschaffen hatte.
    *
    Tammys grüne Augen waren sorgenvoll verschleiert, während sie zusah, wie die Lichter größer wurden und die Bäume und Stromleitungen entlang der Straße hervortreten ließen. Ein Kind umklammerte ihre knochige Taille mit den Beinen. Das andere stand neben ihr, die winzige Hand in ihrer verschwitzten Faust. Beide hatten einen Schokomilchbart, und das Haar stand ihnen wild vom Kopf ab.
    Spätabendlicher Wind kniff ihnen in die Haut. Grillen und Laubheuschrecken zirpten in der Wildnis, die sie ebenso umgab wie die heraufziehende Dunkelheit. Zwei Plastiktüten standen vor ihren Füßen, darin das Nötigste: Hosen, Shirts, BHs, Slips und ein paar Windeln. Das Knirschen von Reifen auf Schotter wurde lauter.
    Früher am Tag hatte das Klingeln eines Telefons durch ihren schäbigen Wohnwagen gehallt. »Hallo?«, hatte sie sich gemeldet.
    »Sei in vier Stunden unten bei Blister Fork. Pack nur wenig ein«, sagte Jarhead.
    »Geht’s dir gut?«, fragte sie, spürte die Müdigkeit in seiner brüchigen Stimme.
    Jarhead zögerte, sagte dann: »Ging mir schon besser.«
    »Es sind jetzt drei verdammte Tage, hast du … hast du … gewonnen?«
    »Es gab keinen Gewinner«, sagte er. »Pack jetzt.«
    Dann hatte er aufgelegt.
    Jetzt kam der verrostete Bronco quietschend zum Stehen. Steinstaub waberte vor den Scheinwerfern. Der Motor rumpelte. Die Beifahrertür wurde geöffnet. Jarhead sprang auf die Straße. Er schloss Tammy und seine Jungs in die ausdefinierten, muskulösen Arme, half ihnen mit ihren Habseligkeiten hinten in den Bronco. Zeek saß auf Jarheads Schoß, Caleb rechts neben ihm. Tammy links.
    Die Dunkelheit konnte Tammys Schwermut genauso wenig verbergen wie die zerklüfteten Augenringe, die farblich mit dem Violett von Jarheads ramponierter Fassade korrespondierten. Tammy hielt sich an ihm fest, nickte in Richtung des Fahrers. »Wer ist das?«
    Vom Fahrersitz aus blickten Tammy über den Rückspiegel zwei müde Augen an. Das eine dank Angus’ dick angeschwollen. »Ich heiße Purcell«, sagte er und schaltete auf Drive.
    Und Tammy sagte: »Ich bin Tammy. Freut mich.«
    »Schön, dich endlich kennenzulernen, Tammy.«
    Im Radio sprach Johnny Cash, begleitet von statischem Knistern: » And I heard as it were the noise thunder, one of the four beasts sang come and see, and I saw and behold a white horse. «
    »Wohin fahren wir?«, fragte Tammy und drückte ihren Kopf an Jarheads Schulter.
    »Zu Dotes Waffenladen«.
    Tammy hob den Kopf, sah Jarhead an. »Dotes Waffenladen?«
    Jarhead sah ihr in die Augen. »Ich muss zurückzahlen, was ich gestohlen habe. Und Purcell will ein paar Dinge kaufen.«
    »Waffen?«
    Purcell sah Tammy über den Rückspiegel an. »Wir haben uns beim Brook kurz vor knapp noch schnell auszahlen lassen«, sagte er. »Wir haben zwar einen Sack voll Geld, aber Freunde haben wir uns dort nicht gemacht. Es wird irgendein Scheiß passieren, und losgehen wird es genau hier in den Countys. Wir wollen einfach nur dafür sorgen, dass wir auf der sicheren Seite sind.«
    »Was zum Teufel erzählst du da?«, fragte Tammy verwirrt.
    Jarhead fasste sie zart am Arm und nickte stumm. Sein Blick brachte zum Ausdruck, dass er gelernt hatte, diesem Mann zu vertrauen, und dass auch sie das tun sollte.
    Im Hintergrund schabte Johnny Cash über die Saiten seiner Akustikgitarre und begann zu singen: » There’ s a man going around taking names, and he decides who to free and who to blame. Everybody won’t be treated the same, there’ll be a golden ladder reaching down when the man comes around. «
    Purcell ging in die Kurve, auf der linken Seite tauchte eine Shell-Tankstelle auf. Jarhead sah Purcell im Rückspiegel an und sagte: »Über die Kreuzung, am Wendy’s vorbei, halt vor dem Gebäude daneben.«
    Purcell nickte.
    »Purcell sieht Dinge, bevor sie passieren«, erklärte Jarhead Tammy.
    »Ist er ein Wahrsager?«
    »Wahrsager, Seher. Er hat Veränderungen kommen sehen, brutale Veränderungen.«
    »Was hat das mit uns zu tun?«, protestierte Tammy. »Hast du nicht genug getan?«
    »Es ist Jarheads Berufung«, sagte Purcell vom Fahrersitz aus. »Der Junge kämpft wie ein Engel. Wir brauchen ihn. Wir alle brauchen ihn.«
    Jarhead spürte, wie Tammy vor Sorge zitterte, und zog sie mit dem linken Arm nah zu sich
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