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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt
Autoren: Frank Bill
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sah er zur Scheune hinüber. Seiner Meinung nach nicht abgelegen genug, um dort Crank zu kochen – zu ungeschützt und zu groß –, aber später trotzdem einen Blick wert. »Sieht so tot aus wie Beatle und Flat, oder?«, sagte er mit Blick auf die weiße Farbe, die von der Holzfassade des Hauses abblätterte.
    Liz schluckte schwer. Erinnerte sich an die schwülen Nächte, die sie mit den beiden im dunklen Schlafzimmer eines verlassenen Hauses verbracht hatte, nachdem das Meth gekocht und zu Profit gemacht worden war. Angus unterwegs war, um neue Zutaten zu besorgen. Drei mit verkochten Chemikalien gesättigte Körper. Liz aufgepeitscht von Endorphinen. Jetzt waren die beiden auf der Strecke geblieben, mit den Gesichtern nach unten. Jeweils ein Hohlspitzgeschoss im Schädel. Männer mit identischen Nachnamen. Blutsverwandt. »Ja, ist tot«, sagte sie. »Vor Blicken geschützt. Keine Autos. Kein gar nichts.«
    Angus griff mit der einen Hand nach dem glatten Metallgriff der Fliegentür, mit der anderen nach seiner handlichen Para Ordnance Kaliber 45.
    »Wieso zum Henker hast du die denn rausgeholt?«, fragte Liz voller Verachtung.
    »Bloß für den Fall, dass da drin eine Überraschung auf uns wartet, die genauso ne dicke Lippe riskiert wie du«, sagte Angus.
    Im Haus roch es nach Moder. Rinnsale burgunderfarbener Flüssigkeit menschlichen Ursprungs bedeckten das Linoleum und die Zederndielen, so als seien hier ein oder mehrere Leute ermordet worden. Bretter knarzten unter ihren Schritten. Das Burgunderrot verdickte sich im Bad. War ans Waschbecken gekleckst und geschmiert worden, an die klauenfüßige Badewanne, die Klobrille. Gekräuselte Haare wuchsen aus einer grünen Brühe, die einmal Wasser gewesen war. Angus drehte an der Armatur. Brauner Glibber plumpste dick heraus, wurde dünner. Dann klar wie Glas. »Es muss einen Brunnen oder eine Zisterne geben«, murmelte er.
    Im Esszimmer strich Liz über burgunderrote Abdrücke auf dem Hörer eines hautfarbenen Wählscheibentelefons, der an einem Spiralkabel baumelte. Sie dachte an Beatle und Flat. Hielt die pulsierende Nässe in ihren Augen zurück.
    Angus steckte die 45er in den Hosenbund. Fuhr sich mit einer Hand über die zum Zopf geflochtenen kohlrabenschwarzen Locken. Begutachtete die stockfleckige Decke und die abblätternde Wandfarbe. »Auf diesem Haus liegt ein grausamer Fluch.«
    Liz’ Körper erbebte in beinahe rauschhaftem Hass. Dies war ein guter Platz für Angus, um den Tod zu finden, sagte sie sich, aber erst nachdem er mehr Crank gekocht hatte. Sie wandte ihm ihr ausdrucksloses Gesicht zu. »Sieht okay aus, finde ich. Zeit, Eldon einen Besuch abzustatten.«
    *
    Er stand gekrümmt in der Scheune. Metallene Fallen in der kleinen linken Hand. In der großen rechten Hasen, das Fell abgezogen, ausgenommen, die Muskeln gestreckt. Das eine Auge zuckte wegen der Bell-Lähmung, die an jenem Tag über ihn gekommen war wie sein Vater, dem Tag, an dem er mit ansehen musste, was sein Vater tat. Sein Gesicht hatte monatelang heruntergehangen danach. Sich dann langsam wieder gestrafft.
    Er hörte das Knirschen der Reifen, die die schadhafte Zufahrt hinunterkamen. Linste zwischen den Holzplanken der Scheune hindurch ins Tageslicht. Sah zu, wie der grüne Wagen zum Stehen kam, die Tür sich öffnete. Ein Mann mit langem Rabenhaar stieg aus. Knallte die Tür zu. Dann eine Frau, deren Haare herunterhingen wie verfilzte rote Dolden getrockneten Marihuanas. Sie gingen auf das alte Haus zu. Der Mann zog einen Revolver, und sie gingen hinein.
    Er schüttelte den Kopf. Bewegte sich gemächlich über den strohbedeckten Boden der Scheune. Er hatte allein gelebt auf derFarm. Ungestört. Jahrelang. Jetzt waren Eindringlinge gekommen. Einer mit einer Schusswaffe. Grunzend entließ er ein Heulen. Er hasste Schusswaffen. Fragte sich, warum diese Leute hier waren und ob sie bleiben würden. Er ging in die hintere Ecke, hängte die Fallen an einen rostigen Haken. Fegte das Stroh und den Staub von den Holzlatten neben dem Tisch. Griff nach dem eisernen Griff. Öffnete die Falltür. Folgte dem Treppenlauf in die verborgene Öffnung unter der Erde.

3
    Eldon McClanahan war ein alkoholkranker Apotheker, der sein Geld bei Pferderennen, Baseballpartien und Pokerrunden mit hohen Einsätzen verspielte. Seine Kröten auf so ziemlich alles gesetzt hätte. Bereit gewesen wäre, die verschrumpelten, formaldehydgetränkten Körper seiner Eltern auszugraben und zu verhökern, würde es ihm
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