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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt
Autoren: Frank Bill
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eben mehr in der Hose als im Kopf. Und nicht genügend Geld, um die kränklichen Mäuler zu füttern, die er mit dieser Pillenrübe Tammy Charles produziert hat. Dachte sich halt, er stiehlt mir was.«
    Pike zog ein kleines Ringbuch aus der Gesäßtasche. Kritzelte hinein. »Und er wollte, dass du genau tausend abzählst? Und hat den Rest zurückgelassen?«, fragte er. »Hätte er dich bis aufs letzte Hemd ausnehmen wollen, hätte er sich davonmachen können wie eine Ziege über’s Kleefeld. Hat er aber nicht getan.«
    Dote presste die Lippen zusammen. »Ich weiß nur, dass ich zurückhaben will, was er gestohlen hat«, sagte er. »Und seinen Arsch hinter solidem Stahl sehen.«
    Pike klappte das Notizbuch zu, ließ es zurück in seine Arschtasche gleiten. »Ich werde die Fahndung einleiten. Sollte er zu Hause oder irgendwo hier in den Hügeln sein, werden wir ihn finden.«

2
    Noch immer wütend wegen des Infernos letzte Nacht, der zerstörten Ausrüstung und der verlorenen Profite, bog Angus auf die Straße ins Tal ab, an der kilometerweit kein Haus stand. Zedern, Eichen und Birken säumten sie und verteilten sich von dort über eingezäunte Felder, die von der Sonne erhitzt und von Löwenzahn und Gänseblümchen wild überwuchert waren. Angus verlangsamte und kam schließlich zum Stehen, als er eine Lücke im Drahtzaun entdeckte. Ein Farmhaus mit Scheune lag klein, kaum zu erkennen, in der Ferne. Angus’ tätowierter Arm hing schwer aus dem heruntergekurbelten Fenster des Pinto, der im Leerlauf tuckerte. Eine Pall Mall fügte dem klaren Blau über ihm Spuren von Grau hinzu. Sein umwölkter einäugiger Blick begegnete Liz’ grimmigem Starren. »Was meinst du?«
    Liz hatte ihren 63er Oldsmobile-F-85-Kombi auf dem Stage Stop Campingplatz stehengelassen und fuhr bei Angus im Pinto mit. Sie hatten die kurvenreichen kleinen Landstraßen abgesucht. Waren an verrotteten Häusern und heruntergekommenen Wohnwagen vorbeigefahren. Reifen hingen an Bäumen. Babys an Müttern. An die Kette gelegt von arbeitslosen Vätern, die sich, eine Dose Bud oder Miller in der Hand, in Metal-Glider-Entspannungsstühlen fläzten. Die leeren Büchsen umringten ihre Füße wie die Kinder, die sie keines Blickes würdigten.
    Hass war in Liz aufgekeimt, nach dem, was Angus getan hatte. Floss ihr aus den Poren. Formierte unter ihrer buttermilchigen Haut Armeen. »Hättest du Beatle und Flat die letzte Charge nicht allein kochen lassen, würden wir jetzt nicht zum dritten Mal nach einem Unterschlupf suchen«, sagte sie.
    Angus ließ die Bremse zurückschnellen. Fuhr mit quietschenden Reifen den Hügel hinab. Saugte aus dem Sargnagel zwischenden Lippen Rauch in die Lungen. Bremste vor dem Postkasten. Sein vernarbtes Gesicht glich geätztem Stein, als er zusammen mit seinen Worten eine gespenstisch weiße Rauchschwade ausstieß. »Mach den Kasten auf. Guck, ob irgendwelche Post drin ist.«
    Liz wandte sich dem ehemals silbernen Kasten zu, der über die Jahre komplett verwittert war und nun die Farbe von Abfall hatte. Angus schnippte den Sargnagel auf den rissigen Asphalt. Liz öffnete die Klappe. Schaute ins leere Innere. Spürte, wie sich ihre Dreads an den Wurzeln zusammenballten. Ihr Hals knickte nach hinten. Ihr Gesicht knallte seitlich auf das staubige Armaturenbrett des Pinto. Sie hatte das Gefühl, die Gluthitze würde noch herber riechen als der gestrige Hausbrand. Angus’ Schmirgelpapiergriff, 80er Körnung, entließ ihre Dreads in die Freiheit, während sich ihr seine Worte ins Ohr bohrten.
    »Dass du für die beiden Brüder eine feuchte Schwachstelle zwischen den Beinen hattest, geht mir am Arsch vorbei. Wir suchen bloß deshalb nach einem neuen Unterschlupf, weil ich auf dich gehört habe.« Angus grabschte mit Zeigefinger und Daumen nach ihrer Unterlippe. »Also riskier hier keine Lippe, oder ich reiße sie dir ab.«
    Liz rieb sich die schwammige Verdickung, die sich in ihrem Gesicht gebildet hatte. Alles, was sie vom Leben wollte, war genügend Meth, Zigaretten und Budweiser, um durch den Tag zu kommen. Und einen steifen Schwanz, um ihre Sehnsucht nach Kameradschaft zu befriedigen. Aber Angus war es gelungen, ihr auch das zu verderben.
    Ihre Wut befeuerte einmal mehr den Gedanken, wie und wann sie seinen zum Ritual gewordenen Schuldzuweisungen und Misshandlungen ein Ende bereiten könnte. Angus parkte den Wagen. Stieg aus. Liz folgte ihm. Musterte seinen breiten Rücken. Blieb auf Abstand.
    Während Angus die Betonstufen hinaufging,
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