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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn
Autoren: Birgit Fiolka
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euch verstecken und dürft erst herauskommen, wenn ich euch rufe!“
    Wieder nickte Thratta, dann zog Neaira sie hinter sich her, hinaus in den Garten. Sie mussten nicht suchen, denn Proxenos hatte Kokkaline bereits gefunden und zerrte die sich wehrende Sklavin hinter sich her. Eines von Kokkalines Ohren blutete, denn Proxenos hatte ihr ein paar harte Schläge versetzt, um sie gefügig zu machen.
    Gleich hätte er sie auf die Straße gezerrt! Kokkaline taumelte benommen und fiel immer wieder auf die Knie.
    Mit einem Wutschrei rannte Neaira auf Proxenos zu, der sich überrascht durch den Tumult in seinem Rücken umwandte. Der erste Schlag des Gürtels ließ ihn laut aufschreien und mit der Hand in seinen Rücken fassen.
    Neaira wartete nicht, bis er sich von seiner Überraschung erholte. Der nächste Schlag traf Proxenos Kopf. Es tat gut, ihm die Freundlichkeit der Jahre zu vergelten. Neaira hätte ihn totschlagen können, so groß war ihr Hass in diesem Augenblick. Aber Proxenos ließ Kokkaline los. Als er aufstehen wollte, versetzte Neaira ihm einen weiteren Schlag mit dem Gürtel. Er traf Proxenos an der Schläfe.
    Benommen ging er zu Boden. Endlich erfährst du einmal, selbst was Schmerz und Demütigung sind , dachte sie, während ihr Herz vor Angst aber auch vor Erregung laut zu hämmern begann. Neaira ließ den Gürtel fallen und setzte sich rittlings auf Proxenos Brust. Seine Gegenwehr war lächerlich gering, während Neaira ihn mit den Fäusten traktierte. Jeder Schlag, den sie ihm verpasste, stand für einen Tag, an dem sie unter ihm und seinem Bruder gelitten hatte.
    „Elende Hure“, war das Einzige, was Proxenos hervorbrachte. Vom Eingang des Gartens kam Proxenos Begleiter herangelaufen und rief aufgebracht den Namen seines Freundes.
    „Bring Kokkaline ins Haus. Versteckt euch!“, rief Neaira ihrer verstörten Sklavin zu, die wie angewurzelt die Raserei ihrer Herrin beobachtete. Doch Neairas aufgebrachte Stimme rüttelte Thratta wach. Sie nahm Kokkalines Hand, zog sie auf die Beine und rannte mit ihr fort. Als Neaira, fluchend und um sich schlagend, von Proxenos heruntergezogen wurde, waren Kokkaline und Thratta bereits im Haus verschwunden.
    „Sie ist vom Gericht zur Sklavenfolter ausgewählt worden“, herrschte Proxenos Freund Neaira an, dem die sich wild gebärdende Alte unheimlich war. Wie sie dort stand, mit wirrem grauen Haar, vor Hass verzogenen Lippen und dem Nachtgewand über ihrem mageren Körper, fürchtete er sich vor ihr. So benahm sich keine Frau, nicht einmal eine Hetäre! Proxenos, dessen Lippe aufgesprungen war, kam taumelnd auf die Beine und wollte ausholen, um Neaira zu schlagen.
    Doch sein Freund hielt ihn zurück. „Lass sie! Uns ist nicht erlaubt, sie anzurühren, nur die Sklavin.“
    „Sie ist eine Hure, sie will uns alle vernichten ... meine ganze Familie!“ Proxenos beruhigte sich nur langsam.
    Neaira, mit ihrem verschlossenen Blick, schürte seine Wut und seine Angst. Er hatte sie immer gefürchtet, und genau hierüber war er wütend. Wie konnte er eine Frau fürchten?
    Um sich das Gegenteil zu beweisen, spie Proxenos vor ihr aus. „Gib uns die Sklavin! Wir haben ein Recht dazu, sie mitzunehmen!“
    Neaira verschränkte die Arme vor der Brust und lachte ihn aus. Sie konnte sich vorstellen, wie sie für Proxenos aussehen musste – eine hysterische Alte mit wirrem Haar und vor Kampfeslust glitzernden Augen. Trotzdem wich sie nicht vor ihm zurück, wollte ihm keinen Atemzug lassen, die Situation zu beherrschen. „Kokkaline gehört mir! Ich bin Metökin. Ich werde sie euch nicht überlassen.“
    „Hast du Besitzurkunden für sie?“, fragte Proxenos Freund unfreundlich.
    Neaira hatte keine, und die beiden wussten es.
    Proxenos hatte lange genug Zeit gehabt, sich durch das Haus seines Vaters zu schnüffeln. Neaira dankte Aphrodite dafür, dass sie ihre Freilassungsurkunde in ihren eigenen Räumen aufbewahrte. Doch Kokkaline und Thratta waren ihr vom Gericht zugesprochen worden, als sie nach Athen zurückgekehrt war. Herausfordernd grinste Neaira die beiden Männer an. „Habt ihr etwa Besitzurkunden für sie?“
    Proxenos Kieferknochen schienen vor Zorn zu bersten, während sein Freund ihn am Arm zog - diese Sache wurde ihm zu brenzlig. Er wollte verschwinden.
    Neaira erkannte, dass sie mit ihrer Annahme recht gehabt hatte. Nicht das Gericht hatte die beiden geschickt.
    Proxenos hatte im Kampf um seine Ehre nach eigenem Ermessen versucht, Kokkaline zum Gericht zu
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