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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh
Autoren: Alfred Weidenmann
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Personalausgang.“
    „In fünf Minuten“, flüsterte Ulli und türmte los. Schon auf der Treppe begann er, seine grüne Uniformjacke mit den Goldstreifen aufzuknöpfen.
    Im gleichen Augenblick segelte eine ziemlich dicke Dame auf die Portierloge zu. „Das Wasser in meinem Badezimmer wird nicht warm“, schnaufte sie.
    „Ich werde sofort das Nötige in die Wege leiten“, sagte Portier Wagner und ging dann zu der japanischen Reisegruppe hinüber, die schon seit einer Stunde bei ihren Koffern in der Halle herumsaß. „Ihr Omnibus zum Flugplatz Tempelhof ist im Schnee steckengeblieben. Aber es ist bereits Ersatz unterwegs. Just a few minutes, Ladies and Gentlemen.“ Herr Wagner lächelte sein in Jahren erprobtes Portierlächeln und verbeugte sich ein wenig. Die Japaner lächelten zurück und verbeugten sich gleichfalls.
    Fünf Minuten später stapften die beiden Wagners vom Parkplatz des Kempinski herüber über den Kurfürstendamm zur U-Bahn. Quer über der Straße hingen schon die ersten Weihnachtssterne aus lauter kleinen bunten Glühbirnen, und aus dem Gepäckraum eines Autos guckte ein Tannenbaum.
    „Weihnachten liegt in der Luft“, meinte Herr Wagner. „Man kann es schon richtig riechen.“
    Aus der Uhlandstraße kam einer der doppelstöckigen Busse und rollte an seine Haltestelle. Leider klemmten die Türen wegen der Kälte. Wer drin war, konnte nicht heraus, und wer draußen gewartet hatte, konnte nicht rein. „Prost Mahlzeit“, sagte einer der Passanten, verkroch sich in seinen Mantelkragen und ging zu Fuß weiter.
    In der überfüllten U-Bahn mit ihren zitronengelben Wagen bekamen die beiden Wagners nur noch Stehplätze. Der Geruch von Mottenpulver lag in der Luft, weil die Leute ihre Wintermäntel und ihre Wollhandschuhe heute morgen so überstürzt aus den Kleiderschränken geholt hatten.
    Die U-Bahn fuhr unter dem Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße zum Wittenbergplatz. Und jetzt sollte es nur noch ein paar Minuten dauern, bis der Schüler Peter Finkbeiner die beiden Wagners kennenlernte. Er fuhr nämlich im gleichen Zug. Nur in einem anderen Waggon.
    Beim Aussteigen am Wittenbergplatz ging Ulli mit seinem Vater noch gute zwanzig Meter vor Peter über den Bahnsteig.
    Aber schon auf der Treppe zur Straße war nur noch ein halbes Dutzend Passanten zwischen den beiden Jungen.
    Und als die Wagners aus dem U-Bahn-Schacht kamen, wäre Peter Finkbeiner beinahe mit ihnen zusammengestoßen. Ulli und sein Vater blieben nämlich plötzlich stehen und blickten hinüber zum Kaufhaus des Westens. Das war ein riesiger Steinblock mit neun Stockwerken und etwa fünfzig großen Schaufenstern. Auf seinen Dächern wehten Fahnen wie auf einem Regierungsgebäude.
    „Jetzt wird die Sache spannend“, meinte Herr Wagner.
    „Ich bin so aufgeregt, als hätte ich Schmetterlinge im Bauch“, gab Ulli zurück.
    „Was nicht besser wird, wenn wir hier wie die Ölgötzen stehenbleiben.“
    Die beiden gingen also über die Straße und verschwanden im Haupteingang des Kaufhauses. Und damit waren sie zuerst einmal in der Abteilung für Lederwaren und Handschuhe.
    „Gestatten Sie“, sagte Herr Wagner zu einer der vielen Verkäuferinnen. „Ich habe eine Einladung zur Jubiläumsveranstaltung — “
    „Da drüben der dritte Fahrstuhl.“ Die Verkäuferin lächelte. „Hoffentlich haben Sie Glück.“
    „Besten Dank“, erwiderte der Hotelportier in Zivil und wanderte mit seinem Sohn aus der Lederwarenabteilung durch die Schreibwaren zu den Toilettenartikeln hinüber. Dort hatte sich eine ziemliche Menge Menschen angesammelt und schob sich vor einem der breiten Fahrstühle hin und her.
    „Bitte begreifen Sie doch“, sagte ein dicker Mann in einer grauen Uniform flehend, „ich darf nur die Herrschaften mit der blauen Karte einsteigen lassen!“
    Der Uniformierte stand breit vor der offenen Tür seines Fahrstuhls und ruderte mit den Armen wie ein Freistilschwimmer. „Bitte machen Sie doch Platz für die Gäste, die eingeladen sind.“
    Und genau in diesem Moment waren die paar Minuten abgelaufen, die es am Wittenbergplatz noch verhindert hatten, daß sich die Wagners und der Schüler Peter Finkbeiner kennenlernten.
    „Bitte sehr“, sagte nämlich der Kempinskiportier gerade und zeigte seine blaue Eintrittskarte vor. Gleichzeitig legte er Ulli die Hand auf die Schulter. „Und das ist mein Sohn.“
    „Nummer eins“, sagte in diesem Augenblick eine Stimme. „Und ich bin Sohn Nummer zwei.“
    Die Wagners drehten
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