Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
sonntags in einem Klassenzimmer. „Das Kaufhaus des Westens möchte Sie mit seinem Direktor, Herrn Habernoll, bekannt machen“, fuhr die Lautsprecherstimme fort.
    Und jetzt betrat ein Herr in einem nachtblauen Anzug das Podium. Er hatte ein blütenweißes Stecktuch in der Brusttasche und trug eine Krawatte mit roten Punkten.
    „Schönen guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren“, sagte der Direktor und verbeugte sich dabei nach allen Seiten.
    „Gleichfalls einen schönen guten Tag“, sagte in diesem Augenblick eine Dame mit einem Fuchspelz über den Schultern und klatschte ganz allein in die Hände.
    Sie wollte ganz besonders freundlich sein, weil sie ja eingeladen worden war und weil Kaffee und Kuchen gratis waren.
    Direktor Habernoll lächelte ein wenig verlegen, verbeugte sich zum zweiten Mal und fuhr dann fort: „Das
    Kaufhaus des Westens hat, wie Sie alle wissen, zu seinem Jubiläum ein großes Preisausschreiben veranstaltet, und mehr als zweihunderttausend Berliner Familien haben sich daran beteiligt. Das ist einfach enorm, wenn ich das in aller Bescheidenheit feststellen darf.“

    Jetzt applaudierten alle im Saal.
    „Ich möchte Ihnen nun die Herren Dr. Pelz und Rechtsanwalt Dr. Wiesenholz vorstellen. Unter ihrer Aufsicht sind die Gewinner unseres großen Preisausschreibens ermittelt worden.“
    Die zwei Herren, die jetzt auf das Podium kamen, trugen beide dunkle Hornbrillen. Es war nicht festzustellen, wer von ihnen Dr. Pelz war oder Dr. Wiesenholz. Aber das spielte im Augenblick ja auch keine Rolle.
    „Es sind insgesamt 41 327 richtige Lösungen eingegangen“, sagte einer der Herren. „Unter unserer Aufsicht sind aus diesen 41 327 richtigen Einsendungen die Gewinner ausgelost worden.“
    „Und alle diese Gewinner befinden sich hier im Saal“, verkündete jetzt der Kaufhausdirektor. „Unsere blauen Einladungen sind nämlich nur an diejenigen verschickt worden, die durch das Los gezogen wurden und gewonnen haben.“
    „Das ist ja fabelhaft“, riefen ein paar Besucher durch einander, und der ganze Saal klatschte wieder in die Hände.
    „Gewonnen haben Sie also alle, das wissen Sie jetzt“, sagte einer der beiden Herren mit den Hornbrillen. „Und nun geben wir die Preise bekannt, die jeder von Ihnen bekommen wird.“
    „Jetzt geht’s um die Wurst“, bemerkte Frau Finkbeiner in ihrem Sonnenblumenkleid.
    „Um die Sache spannend zu machen“, sagte Direktor Habernoll und lächelte dabei, „fangen wir mit den kleineren Preisen an und steigern uns dann.“
    Als kleinere Preise gab es zuerst einmal Bücher, Schallplatten, Geschenkkartons mit Seife oder echt ungarische Salamis.
    Die aufgerufenen Gewinner mußten ihre Einladungskarten vorzeigen und bekamen dann ihre Preise überreicht. Dabei spielte die Musikkapelle einen Tusch, und die Leute applaudierten.
    Schon nach einer Viertelstunde war die Luft elektrisiert wie bei einem Elfmeter im Fußballstadion. Denn nun wollte jeder Besucher möglichst spät aufgerufen werden.
    Jetzt kam bereits ein Porzellanservice für sechs Personen an die Reihe. Anschließend gab es fünf Armbanduhren, zehn Lederkoffer, ein Dutzend Eisschränke und dann eine Reise für zwei Personen auf die Zugspitze.
    Als schließlich ein Moped aufgerufen wurde, sagte plötzlich ein jüngerer Mann in einer Wildlederjacke: „Moment mal, jetzt wollen wir uns zuschalten.“
    Gleich darauf strahlten die Scheinwerfer hell auf, man hörte ein paar leise Kommandos, und dann blitzten über den Kameras kleine rote Lampen auf.
    „Wir begrüßen jetzt auch die Fernsehzuschauer“, sagte Warenhausdirektor Habernoll, und dann redete der junge Mann mit der Wildlederjacke in ein Mikrophon. Aber davon war kein Wort zu verstehen, weil im Saal wieder einmal in die Hände geklatscht wurde. Das Moped hatte eine ältere Dame mit ganz weißen Haaren gewonnen.
    „Gratuliere“, sagte Herr Direktor Habernoll und lächelte dabei in die Fernsehkamera.
    „Besten Dank“, meinte die weißhaarige Dame. „Kann ich hier gleich mal die erste Runde drehen?“
    Der ganze Saal wieherte.
    „Das ist ja nicht mehr auszuhalten“, jammerte Frau Finkbeiner und puderte sich die Nase.
    „Aber du weißt doch“, tröstete sie Peter, „je später wir drankommen, um so besser der Preis.“
    „Das ist es ja gerade“, stöhnte Frau Finkbeiner und griff nach der Hand ihres Mannes. „Du bist ja ganz ruhig, Otto.“
    „Das sieht bloß so aus, mein Liebes“, antwortete Herr Finkbeiner und ließ seinen Blick
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher