Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
seine rote Jacke mit einem tintenblauen Anzug vertauscht, trug einen Schlips und hatte in seinen flachsblonden Haaren plötzlich einen kerzengeraden Scheitel.
    „Hast du Töne“, meinte Peter Finkbeiner verwundert. „Der Kerl hat sich verändert wie ein Chamäleon.“
    „Kleider machen eben Leute“, erwiderte der Junge mit der Stubsnase. Er lehnte sich tief in den Sessel, schlug die Beine übereinander und schob ziemlich auffällig am rechten Arm seine Handmanschette zurück.
    „Sieh mal an“, sagte Ulli Wagner. „Eine nagelneue Armbanduhr.“
    „Hat mir Mrs. Fuller aus San Juan mitgebracht“, antwortete Axel Kannengießer. „Wasserdicht und mit Leuchtziffern.“
    „Sozusagen als Finderlohn für meine Perlenkette“, meinte Mrs. Fuller. „Immerhin hat er den falschen Inspektor Brown in meiner Kabine beim Klauen entdeckt.“
    „Und deshalb ist er auch heute mein Gast“, fügte Kapitän Stahlhut hinzu.
    „Das war eine liebenswürdige Idee“, bemerkte Apotheker Finkbeiner.
    „Aber die Sache darf nicht einreißen“, widersprach der Page Axel Kannengießer. „Wer kümmert sich um die Passagiere, wenn die wichtigsten Männer der Besatzung am Kapitänstisch herumsitzen?“
    „Soll nie wieder vorkommen“, versprach Herr Stahlhut. Gleich darauf wollte er sich biegen vor Lachen, und die anderen ließen sich von ihm anstecken.
    Als später die Tischstewards mit Kalbsschnitzeln und grünen Bohnen aus der Küche kamen, hatte man sich am Kapitänstisch natürlich längst wieder beruhigt und plauderte schon eine ganze Weile über die Geschichte von der echten und der falschen Mona Lisa.
    „Eins hätte mich noch interessiert“, fragte Herr Stahlhut schließlich und kratzte sich hinter dem Ohr. „Sie haben wohl erzählt, daß Mister Hobbs in New York von diesem falschen Inspektor aus dem Omnibus geholt worden ist. Aber Sie haben nicht gesagt, wieso.“ Er schnitt sich dabei den ersten Bissen von seinem Kalbsschnitzel ab. „Ich meine, weshalb hat man Mister Hobbs überhaupt aus dem Autobus herausgeholt?“
    „Weil er den falschen Kasten bei sich hatte“, erklärte Apotheker Finkbeiner. „Mister Hobbs hat uns erzählt, daß er an jenem Tag ganz in Gedanken mit seinem Cellokasten losgezottelt ist, so wie immer. Den größeren Baßgeigenkasten, den man ihm fürs Schiff besorgt hatte, ließ er zu Hause einfach stehen.“
    „Und das muß dieser Mario Harris gerade noch im letzten Augenblick spitzgekriegt haben“, ergänzte Ulli Wagner. „Und deshalb war er auch so aufgeregt. Mit dem Cellokasten hätte die ganze Geschichte nämlich gar nicht funktioniert, weil er für das gefälschte Bild um ein paar Zentimeter zu klein war.“
    „Da sieht man’s wieder“, sagte Kapitän Stahlhut. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Es stimmt schon.“
    „Und es stimmt auch, daß man viel erzählen kann, wenn man eine Reise tut“, lachte Frau Finkbeiner. „Was haben wir nicht schon alles gesehen und erlebt! Und die Leute, die man kennenlernt! Das ist alles nicht von Pappe!“
    Dabei hatte die Reise ja gerade erst angefangen.
    Auf Isla Margarita wanderten sie noch durch Mangrovenwälder und auf Cura5ao über die weltbekannte Königin-Emma-Brücke, die auf vielen Booten schwimmt. Auf Santa Domingo sahen sie einen Hahnenkampf, und als sie in Boca Chica am Strand in der Sonne lagen, tanzte und sang die ganze Insel, weil gerade irgendein Feiertag war. Kurz vor St. Maarten schwamm stundenlang ein ganzes Rudel Haie neben dem Schiff her, und in Kingstown entdeckten sie auf dem Markt zwischen Mangos und Papayas blutjunge Leguane und Schildkrötenfleisch zum Kochen oder Braten. Sie turnten im Atlantischen Ozean durch die Brandung und kühlten abends ihren Sonnenbrand mit Eiswürfeln. Auf Martinique fotografierten sie Wasserfalle, riesige Salzseen, Mahagoniwälder, Hibiskusblüten und Pelikane. Sie sammelten Sonnenuntergänge, so wie andere Leute Briefmarken sammeln, und als es schließlich nach New York zurückging, war das Meer plötzlich von lauter grünen, blühenden Algen zugedeckt. „Sieht aus wie Petersilie“, meinte Ulli Wagner. „Könnte aber auch sein, daß hier gerade ein Tabakdampfer untergegangen ist“, grinste Peter Finkbeiner. Aber in Wirklichkeit war es Seetang, der in riesigen Mengen aus dem Golf von Mexiko nach Nordosten wanderte.
    Beim Abschiedsessen am Abend des ersten Tages auf See brannten im Speisesaal wieder einmal Kerzen auf den Tischen, und die Bordkapelle spielte „Rolling home“.
    Dabei kamen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher