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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh
Autoren: Alfred Weidenmann
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flüsterte er noch. „Weiterhin gute Reise.“
    „Aber Herr Latenser“, protestierte Mrs. Fuller. „Sie können uns doch nicht die Presse auf den Pelz hetzen und sich dann einfach aus dem Staub machen!“
    Aber das hörte der Privatdetektiv schon gar nicht mehr. Für einen kurzen Augenblick sahen sie noch seine Beine über eine Treppe schleichen, und dann war er endgültig verschwunden.
    Gleich darauf schossen die Pressefotografen auch schon ihre Blitzlichter ab. „Bitte dichter zusammen“, riefen sie. „Und lächeln Sie mitten in unsere Apparate!“
    „Lassen Sie doch den Quatsch“, sagte Mrs. Fuller ärgerlich. Aber dabei rückte sie doch näher zu den Berliner Familien und legte ihren Arm um den Bürstenhaarschnitt.
    Frau Finkbeiner strich noch schnell eine Falte aus dem Kleid, und der Page Axel Kannengießer schüttelte die gefalteten Hände über dem Kopf wie ein Boxkämpfer, der gerade gewonnen hat.
    Als Herr Stahlhut vorbeikam, riefen die Fotografen: „Bitte dazustellen, Kapitän!“ Und schließlich mußten sich auch noch die Herren Prunelle und Palmer zwischen Peter Finkbeiner, Ulli und den Bürstenhaarschnitt klemmen. Als dann auch noch die gefälschte Mona Lisa ins Bild gehalten wurde, sagte Frau Finkbeiner: „Alle Achtung, jetzt ist das Familienfoto perfekt.“
    Und dann hatte es Mister Palmer auf einmal eilig. Er scheuchte die Pressefotografen wie Hühner über die Gangway zum Kai zurück, und schon knappe fünf Minuten später verschwanden zuerst die Kiste mit der echten Mona Lisa und dann das gefälschte Gemälde in einem vergitterten Polizeiwagen. Die Männer mit den kurzen Haarschnitten und den dunkelgrauen Anzügen kletterten ihnen nach. Dabei blickten sie sich mißtrauisch nach jeder alten Konservendose um, als könnte sie im nächsten Augenblick in die Luft gehen.
    Die wartende Menge am Kai drängte neugierig gegen die Absperrung.
    „Mich laust der Affe“, zischte in diesem Augenblick der Page Axel Kannengießer aufgeregt. „Das ist doch...“
    „Der falsche Mister Brown“, murmelte Ulli Wagner und riß die Augen auf.
    „Beziehungsweise Herr Mario Harris“, ergänzte Peter Finkbeiner. „Aber das ist Jacke wie Hose.“
    Tatsächlich kam jetzt ein junger Mann mit einer auffallend großen und dunklen Sonnenbrille über eine schmale Gangway, die man inzwischen achtern vom B-Deck abgeklappt hatte. Er trug einen hellen Trenchcoat vor sich her, und zwei dunkelhäutige Polizisten gingen so dicht neben ihm, daß sie ihn mit ihren Schultern fast zwischen sich einklemmten. Als er schließlich am Kai in einen Polizeiwagen geschoben wurde, blitzten für einen kurzen Augenblick in der Sonne Handschellen auf, die der helle Trenchcoat eigentlich verdecken sollte.
    Gleich darauf wurden an allen Fahrzeugen die Türen zugeschlagen, und dann brausten sie wieder genauso schnell wie sie gekommen waren mit Blaulicht und Sirene zur Stadt zurück. Die Polizisten am Kai lösten jetzt ihre Absperrung auf. Die Menschenmenge verlief sich, und die ersten Passagiere kamen über die Gangway und schlenderten zu den wartenden Autobussen.
    „Und damit hat sich’s dann“, stellte der Apotheker Finkbeiner fest.
    „Als ob überhaupt nichts passiert wäre“, fügte Mrs. Fuller hinzu und schüttelte den Kopf.
    Am Abend wollten die beiden Berliner Familien im Speisesaal wie üblich an ihrem Tisch Nummer 82 Platz nehmen. Aber da segelte plötzlich Herr Rehbein mit seinem Marzipangesicht um die Ecke und sagte: „Der Kapitän bittet Sie höflichst, heute seine Gäste zu sein.“
    „Dunnerlittchen“, erwiderte Frau Finkbeiner. „Mit dem allergrößten Vergnügen.“
    Und da kam auch schon Herr Stahlhut in seiner schneeweißen Uniform auf sie zu. „Nachdem mir zuerst Mister Wilkinson davongelaufen ist, haben sich jetzt auch noch die Herren Prunelle und Palmer in die Büsche geschlagen. Bitte leisten Sie mir Gesellschaft.“ Er lächelte. „Es ist nämlich so schwierig, sich mit leeren Sesseln zu unterhalten.“
    „Ja, damit könnte man notfalls im Zirkus auftreten“, bemerkte Ulli Wagner, ohne eine Miene zu verziehen.
    Am Kapitänstisch vor dem riesigen Wandspiegel löffelte Mrs. Fuller bereits an einer Tomatensuppe, und der Bürstenhaarschnitt steckte sich gerade ein Stück Melone in den Mund.
    „So sind wir ja alle wieder zusammen“, lachte Frau Finkbeiner. Und dann sagte sie: „Nanu, was für eine Überraschung.“ Zwischen den beiden Fullers saß nämlich der Page Axel Kannengießer und grinste. Er hatte
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