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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh
Autoren: Alfred Weidenmann
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ist.“ Obgleich alle die Fotos schon kannten, gingen sie noch einmal von Hand zu Hand um den Tisch herum.
    „Woraus zu folgern wäre“, bemerkte Mister Palmer trocken, „daß Turbane mit Glitzerkram für Diebe keine geeignete Berufsbekleidung sind.“
    Der ganze Tisch brach in Gelächter aus, und Mrs. Fuller rief: „Sie haben ja plötzlich Humor, Mister Palmer.“
    „Selbstverständlich hab’ ich den Burschen beobachtet, so gut es ging“, meinte Herr Latenser nach einer Weile. „Aber das war gar nicht einfach. Meistens hielt er sich ja irgendwo im Schiffsbauch bei seinen Schlangen auf. Bis dann dieses weiße Motorboot auftauchte. Da sah ich ihn plötzlich unten auf dem Mannschaftsdeck, und er hatte gerade ein Seil über die Reling geworfen. Ich rannte los. Aber als ich ankam, war der hellbraune Schrankkoffer schon über Bord, und ich sprang hinter ihm her. Dabei sah ich noch im letzten Augenblick, wie der Inder zusammen mit Mister Hobbs über eine Treppe davonflitzte.“ Herr Latenser nahm einen Schluck Orangensaft. „Ein paar Minuten später wußte ich dann, daß sie mich reingelegt hatten.“ Er lächelte zu dem Bürstenhaarschnitt hinüber: „So dämlich war die Sache mit dem Motorboot also gar nicht. Jedenfalls hatten sie mich vorerst mal vom Hals.“
    „Wir haben uns natürlich alle immer wieder gefragt, wo sie das Bild wohl versteckt haben“, sagte Mister Palmer, „und wie sie es von Bord bringen wollen. Diese Kiste mit dem Schlangenkäfig war kein schlechter Einfall, das muß den Herren der Neid lassen.“ Er paffte wieder einmal eine Rauchwolke in die Nacht hinaus. „Wie sind Sie dahintergekommen?“
    „Erst im allerletzten Augenblick“, gab Mister Latenser zu. „Als ich zusammen mit Chang Lie nach unserem Kopfsprung wieder an den Kai zurückkam, stand der Inder da, in seinem Eierschalenanzug, und am Hebebaum schwebte gerade die Käfigkiste mit den Schlangen über Bord. Da hat es ganz einfach gefunkt. Peng!“ Herr Latenser knallte die Hände ineinander.
    „Peng“, wiederholte Mister Palmer und erhob sein Glas. „Ich möchte Ihnen neidlos gratulieren, Herr Kollege.“
    „Und wir schließen uns an“, gab Frau Finkbeiner bekannt, worauf der ganze Tisch auf das Wohl von Herrn Latenser die Gläser kippte.
    Die Musik spielte zufällig gerade einen Tusch, weil jetzt der englische Zauberer auftreten sollte, der ja zusammen mit der neuen Tanzgruppe ab heute im Programm war.
    „Ich bin dafür, daß wir unsere Sitzung unterbrechen“, schlug Mrs. Fuller vor. „Zauberer sehe ich für mein Leben gern.“
    Sie schlenderten also alle zur Reling hinüber. Von dort konnte man auf die übrigen Decks hinunterblicken.
    „Der Streichholzfabrikant kam bei der Ausfahrt in New York natürlich mit voller Absicht zu spät“, sagte Mister Palmer im Gehen. „Er hatte die gefälschte Mona Lisa in seinem Gepäck. Wenn er so spät kam, daß man seinetwegen die Gangway noch einmal herunterlassen mußte, war es ziemlich sicher, daß ihn der Zoll kaum kontrollieren würde. Als er dann an Bord war, ist er vorgegangen wie ein Spieler, und sein ganzer Plan war eigentlich eine bodenlose Frechheit. Sollte er es wirklich schaffen, daß die echte Mona Lisa den Passagieren gezeigt wird, hatte er gewonnen. Für diesen Fall war alles haargenau vorbereitet. Blieb das Original aber im Tresor, dann wäre er mit seiner Fälschung wieder stillschweigend abgezogen, und kein Hund hätte ihm nachgebellt.“
    „Das hat Ihnen dieser Harris schon alles gesungen?“ fragte Mrs. Fuller grimmig. „Womöglich gehörte ich zu seinem Plan, schon bevor ich aufs Schiff kam?“ Und dann sagte sie plötzlich: „Um Himmels willen, der Kerl frißt ja Rasierklingen wie andere Leute Kartoffelsalat.“
    Der Zauberer aus England war nämlich gerade dabei, sich eine Rasierklinge nach der anderen in den Mund zu stecken. Er kaute genußvoll, und hinterher verschluckte er sie. Jedenfalls sah es so aus. Die Passagiere waren zuerst sprachlos. Aber dann machten sie ihre Witze, wünschten guten Appetit oder fragten, ob Rasierklingen besser mit Pfeffer und Salz schmecken würden oder mit Essig und Öl.
    Anschließend ließ der Herr aus England Armbanduhren und ganze Brieftaschen verschwinden, verwandelte alte Zeitungen in Nationalflaggen und zauberte zum Abschluß noch ein Kaninchen aus seinem Zylinder, das er allerdings sofort bei den Ohren nahm, damit es nicht über Bord hüpfte.
    „Und jetzt sollten wir uns mit Mister Hobbs beschäftigen“, schlug
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