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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer
Autoren: Franz Hohler
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zum Kiosk. Im Kiosk sitzt eine Frau, deren Alter sehr schwer zu bestimmen ist, ihre Körperhaltung wirkt greisenhaft, ihr Gesicht jedoch hat keine Runzeln. Als sie der Meister anspricht, schaut sie nicht auf, sondern wirft ununterbrochen kleine Handschuhe aus einer Schachtel, die sie vor sich hat, in einen großen Topf, den sie neben sich hat. Als sie der Meister zum zweiten Mal anspricht, diesmal lauter und entschiedener, blickt sie auf und schaut ihn an.
    »Sie möchten wohl Orschankeln?« fragt sie ihn. »Nein«, sagt der Meister und will weiterfahren, doch die Frau sagt: »Ich habe aber nur Orschankeln.« – »Was sind das, Orschankeln?« , fragt der Meister, neugierig geworden. »Das werden Sie schon noch merken«, sagt die Frau und beugt sich wieder zu ihren Handschuhen. Der Meister spricht sie wieder an, stellt die Frage nach seinen zwei Dachdeckern, aber die Frau blickt nicht mehr auf, auch als sie der Meister bei den Schultern packt. Der Meister sieht sich um und merkt, dass er hier in einer gebirgigen Landschaft ist, Felszacken ragen empor, die aber alle mit Ziegeln bedeckt sind, weiter hinten bemerkt er sogar einen Wasserfall. Aber der Weg hört hier beim Kiosk auf, die Zacken scheinen nicht begehbar, haben auch keine Widerhaken oder Schneehalter, und so versucht er, die Frau nochmals anzusprechen. Es gelingt ihm nicht, da greift er zu einer Illustrierten, die auf der Lade liegt, und blättert sie abwartend durch. Sie ist sehr alt, auf einer Seite ist Kaiser
Wilhelm zu sehen, wie er Palästina besucht, und andere Bilder zeigen Goldsucherstädte in Amerika und einzelne Gestalten in großen Hüten, mit Werkzeug beladen. Auf einer der letzten Seiten sind zwei Männer abgebildet, die ein Verbrechen begangen haben und jetzt zum Tode verurteilt sind. Bevor der Meister weiterliest, welcher Art dieses Verbrechen war, erkennt er in den zwei Männern seine Dachdecker und blättert sofort die Seite um. Auf der nächsten Seite aber ist der Henker abgebildet, der die beiden hinrichten wird, und im Henker erkennt der Meister sich selber. Hastig schlägt er die Illustrierte zu und will sie zurückgeben, da sieht er, dass der Kiosk inzwischen geschlossen ist, die Bergzacken haben sich mit einer Eisschicht überzogen, und der Rückweg ist ihm von einem Wolfshund verstellt, der einen Eisenstab zwischen seinen Zähnen trägt.

Erzählung
    H eute erzählte mir eine Bekannte in Bern beim Mittagessen
von einem Bekannten in Deutschland
welcher
    durch Zufall
    mit einem Unbekannten ins Gespräch gekommen sei
der ihm
nachdem sie vorerst über Dinge ohne Wichtigkeit geredet
hätten
zu erzählen angefangen habe
wie er einmal
zwischen neun und zehn Uhr abends
    er sei Vertreter von Beruf
und sei um diese Zeit noch öfters mit dem Wagen
auf der Heimfahrt
    wie er also
als er unterwegs gewesen sei
gesehen habe
dass
am Straßenrand
    auf freiem Feld
    ein Mädchen
mit erhobner Hand gestanden sei
woraufhin er den Wagen angehalten habe
und es ihm auf seine Frage

wohin es wolle
entgegnet habe
es müsse in die Bäckerei des nächsten Dorfes und er dann
das Mädchen in den Wagen eingelassen habe
    es sei hinten eingestiegen
und habe auf der Fahrt nicht mehr gesprochen
    dass dann aber
als er im nächsten Dorf
die Bäckerei gefunden und davor gehalten habe
das Mädchen plötzlich nicht mehr dagewesen sei
was ihn bewogen habe
auszusteigen und zu läuten
um zu fragen
ob sie etwa schon im Haus sei
    was ihm allerdings auch seltsam vorgekommen wäre
habe er doch nichts bemerkt
das darauf hätte schließen lassen
    dass
nach einer Weile
eine Frau
die Tür geöffnet habe
ihn
nach seiner Frage
gebeten habe
einzutreten
und ihm alsdann
    ihre schwarzen Kleider
habe er erst jetzt bemerkt
    eröffnet habe
das Mädchen

das er mitgenommen habe
müsse ihre Tochter sein
die vier Monate vorher
in einem Wagen
den sie angehalten habe
umgekommen sei
und er
er sei jetzt schon der dritte
der nach ihrem Tode komme
und erzähle
dass er ein Mädchen mitge
das hieher
    frage
    ob sie schon zu Hause
     
    (Er sei dann ratlos weggefahren
und seit diesem Vorfall
fühle er sich sehr allein
und wisse nicht was machen
weil )

Das Haustier
    I ch habe – ich schreibe ich, nicht weil ich mich meine, sondern weil ich nicht schreiben will, es war einmal jemand, der war so und so alt und so und so groß und hatte die und die Eigenschaften – ich habe ein Haustier.
    Ich verspürte eines Tages das Bedürfnis, da ich sehr allein bin, etwas um mich zu haben, das lebt, ein Wesen, das mir
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